Die Junge GSP (Jugendorganisation der Gesellschaft für Sicherheitspolitik) lud geballte militärische Expertise auf ihr Panel im Amerikahaus – neben Generalleutnant Mais stand auch Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, Inspekteur Cyber- und Informationsraum, Rede und Antwort. Unter dem Titel „Die zukünftige Rolle der Bundeswehr – sind wir bereit für 2029?“ wurden sowohl der aktuelle Status Quo als auch der notwendige Weg zur Kriegstüchtigkeit diskutiert.
Ist 2029 überhaupt die richtige Jahreszahl?
Es war Generalinspekteur Carsten Breuer, der als kritische Zielmarke für die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr das Jahr 2029 ausrief. Die Zahl führt auf die Einschätzung zurück, dass von diesem Jahr angenommen wird, Russland könne einen NATO-Staat angreifen. Spätestens dann müssten Deutschland und seine Verbündeten bereit sein, einen solchen Angriff abzuwehren. Doch, wie realistisch ist diese Jahreszahl?
„Ich sage mal ganz vorsichtig“, äußerte Vizeadmiral Daum seine Bedenken, „das Szenario 2029 – Angriff aus der Stärke Russlands – ist das eine; das andere Szenario für mich ist der Angriff aufgrund der Schwäche des Westens.“
Seine Überlegung gehe auf die Spieltheorie zurück, erklärte der Inspekteur CIR. Putin könnte auch schon dann den Angriff wagen, wenn er zwar nach westlichen Maßstäben noch nicht ausreichend aufgerüstet habe, aber in der Belastung des transatlantischen Bündnisses eine ausreichende Schwäche der NATO erkenne. Ein window of opportunity würde der „Opportunist Putin“ nutzen, ist sich auch Heeresinspekteur Alfons Mais sicher. Das deutsche Heer bereite sich daher neben 2029 auch auf den „Kampf heute Nacht“ vor.
Russland rüstet massiv auf
Im Amerikahaus wird allerdings auch für die verbleibenden 4 Jahre ein düsteres Bild gezeichnet. „Die russischen Streitkräfte werden 2029 stärker sein als vor dem Ukraineangriff!“, warnte General Alfons Mais. Das Umschalten auf die Kriegswirtschaft, die personelle Mobilisierung und die ausgegebenen Ziele des Kremls ließen keinen anderen Schluss zu. Russland produziere täglich mehr Panzer, als es in der Ukraine verliere, hieß es auf dem Podium.
15 neue Divisionen würde Russland derzeit planen und aufstellen, erklärte auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj heute in München. Das würde 150.000 Soldaten bedeuten – zusätzlich zu den bereits in der Ukraine kämpfenden Einheiten. „Während russische Kräfte in der Ukraine gebunden sind, findet parallel ein Aufwuchs statt“, erklärte Generalleutnant Mais.
„Dazu kommt, dass die Seestreitkräfte und die Luftstreitkräfte in der Ukraine nicht abgenutzt wurden.“ Unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt einer möglichen Aggression gegen die NATO sei diese Entwicklung höchst bedrohlich. Eine Warnung, die – trotz der konträren Rede des US-amerikanischen Vizepräsidenten – mehrfach von hochrangigen Militärs auf der MSC zu hören war. Die Meinung war auch im Amerikahaus eindeutig: Europa müsse sich unbedingt so aufstellen, dass es für seine eigene Sicherheit sorgen könne.
Amerikahaus – Der Weg zur Kriegstüchtigkeit
Wie aber sieht der deutsche Weg in die vielfach beschworene Kriegstüchtigkeit aus? Als eine Säule wird die Brigade Litauen genannt, zu der Generalleutnant Mais sagte: „Ich bin nicht nur optimistisch, sondern absolut sicher, dass wir diese Brigade bis 2027 aufgestellt bekommen.“
Das sind immerhin zwei Jahre vor der angenommenen russischen Bereitschaft eines Angriffs auf die NATO. 2027 ist allerdings auch das Jahr, von dem die USA ausgehen, China könnte einen Angriff auf Taiwan beginnen. Ein Ereignis, welches US-Kräfte im Pazifik binden und das window of opportunity für Putin größer erscheinen lassen könnte.
Doch zur Kriegstüchtigkeit gehöre mehr als die deutsche Brigade an der NATO-Ostflanke, sind sich die Panelisten im Amerikahaus sicher. Personell wird unter großem Applaus der zumeist jungen Leuten im Publikum eine Wehrpflicht gefordert.
Die Frage nach einer Öffnung der Bundeswehr auch für Freiwillige aus anderen EU-Ländern wird mit dem Hinweis ausgeschlagen, dass durch die finanziellen Anreize einer Bundeswehrkarriere gerade osteuropäische Streitkräfte in Nachwuchsbedrängnis geraten könnten. Im Sinne einer gesamteuropäischen Verteidigung wäre dies kontraproduktiv.
Neben Personal benötigt die Bundeswehr für ihre Kriegstüchtigkeit ebenso Material. Das aber brauche Zeit. Zwar habe sich die Zeitenwende bei den Vorhaben des BAAINBw bemerkbar gemacht, doch laut Generalleutnant Mais gelte auch: „Eine Unterschrift unter einem Vertrag generiert keine Fähigkeit auf dem Kasernenhof. Das dauert drei, vier, fünf, sechs Jahre, bis aus einer 25-Mio-Vorlage irgendwo bei der Truppe eine Fähigkeit wird.“
Das Erreichen der Kriegstüchtigkeit im Sinne der Abschreckung mag herausfordernd sein, ist aber machbar. „Ich stelle mir zunehmend die Frage“, warf der Inspekteur des Heeres ein, „wie man jemanden konventionell abschreckt, der bereit ist, 800.000 Tote und Verwundete hinzunehmen.“ Ein Zweifel, über den öffentlich bisher wenig diskutiert wird. Immerhin gilt auch: „Wenn Abschreckung versagt, dann wird gekämpft.“
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