Die Kunst des Entscheidens: Wie neue Technologien die Kampfführung revolutionieren

Unbemannte Systeme wie multirollenfähige Remote Carrier und intelligente Effektoren (Flugkörper) werden zukünftig in kriegerischen Auseinandersetzungen eine entscheidende Rolle spielen. Das gilt insbesondere in hochkomplexen Szenaren und im Rahmen der vernetzten Operationsführung. Es wird auf ein breitgefächertes komplementäres Fähigkeitsspektrum ankommen. Das Einsatzspektrum reicht hierbei von Elektronischem Kampf (EK) über Aufklärung bis hin zu klassischer Wirkung. Dieser Text über die Kunst des Entscheidens erschien zuerst im cpmFORUM 6/23.

Die Kunst des Entscheidens- Wie neue Technologien die Kampfführung revolutionieren
Wer entscheidet über den Einsatz multirollenfähiger Remote Carrier?
Illustration: MBDA

Multirollenfähige unbemannte Systeme wie Remote Carrier werden in diesem Zusammenhang zentrale Elemente der Kampführung sein, um Einsätze erfolgreich durchführen zu können. Bei den Remote Carriern handelt es sich um neuartige fliegende Plattformen, die die Fähigkeiten von Lenkflugkörpern und Unmanned Aerial Vehicles (UAV) vereinen. MBDA entwickelt als Hauptpartner von Airbus Defence and Space die Remote Carrier im Rahmen des trinationalen Programms Future Combat Air System (FCAS).

In zukünftigen Konflikten wird es darauf ankommen, die exakten Positionen der gegnerischen Einsatzmittel zu lokalisieren, auszuwerten und ein entsprechendes echtzeitfähiges Lagebild bereitzustellen. Dieses Lagebild ist zukünftig nicht nur die Grundlage für weitere strategische und taktische Entscheidungsprozesse, sondern auch für synchronisierte und automatisierte Handlungen des Systemverbunds.

Multirollenfähige unbemannte Systeme müssen daher modular aufgebaut, hochvernetzt und Bestandteil eines hoch integrierten Sensor-Wirkverbundes sein. Im kollaborativen Einsatz als Schwarm (Verbund) entfalten sie ihre volle Schlagkraft. Für einen effektiven Einsatz multirollenfähiger unbemannter Systeme innerhalb eines „System of Systems“ stellen sich jedoch bisher noch nie da gewesene technische Herausforderungen.

Die kooperierenden Systeme müssen in der Lage sein, hochdynamisch auf Veränderungen zu reagieren. Das erfordert einen hohen Automatisierungsgrad der Systeme. Gleichzeitig sollen aber menschliche Eingriffe möglich bleiben. Durch den Einsatz und die Entwicklung sogenannter parametrisierbaren Automatisierungsgrade kann dies sichergestellt werden.

Ein Modell, welches bei der Entwicklung der parametrisierbaren Automatisierungsgrade genutzt wird, ist das OODA-Konzept (Observe, Orient, Decide, Act) nach LtCol John Boyd. Das Modell hilft bei der Gestaltung von Algorithmen. Ziel ist es, mittels dieser Algorithmen hochkomplexe Automatismen für eine dynamische und interaktive Auftragserfüllung zu entwerfen. Die Gestaltung dieser parametrisierbaren Automationsgraden liegt auf menschlicher Seite. Der Mensch behält somit die Kontrolle über das Verhalten des Gesamtsystems.

Die Anwendung mathematischer Modelle und Simulation ist von zentraler Bedeutung, um die Algorithmen zu verifizieren, die im Rahmen des OODA-Modells konzipiert werden. Randomisierte Simulationsläufe helfen, die Algorithmen zu verbessern, Fehlverhalten zu erkennen und auch das Systemfähigkeitsspektrum zu optimieren.

Machine Learning kann effektiv genutzt werden, um gewonnene Daten weiterhin in die Entwicklung der Algorithmen einfließen zu lassen. Auch können Beobachtungen aus reellen Szenarien übernommen und durchgespielt werden. Entscheidungsfindung und die Betriebsabläufe werden optimiert, was zu einer besseren Performance und Zuverlässigkeit führt.

Ein weiterer wesentlicher Schritt in diesem Entwicklungsprozess ist der Einsatz von Erprobungsträgern. Durch diesen können wir wertvolle Erfahrungen im Hinblick auf die benötigten technischen Komponenten und die theoretischen Annahmen sammeln. Subsysteme und Payloads können bereits im

Vorfeld im Rahmen von Forschungs- und Technologiestudien getestet und frühzeitige iterative Reifegrade erreicht werden. Der Erprobungsträger wird dabei helfen, die Praktikabilität und Effektivität der entwickelten Algorithmen und Subsysteme zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie den gestellten Anforderungen entsprechen.

Zusammenfassend ist das OODA-Konzept ein wesentlicher Baustein für die Entwicklung effizienter Kommunikations- und Führungssysteme für den Einsatz in Verbindung mit Remote Carriern. Durch die Verwendung mathematischer Modelle und Machine Learning wird nicht nur die Algorithmenverbesserung ermöglicht, sondern auch die Möglichkeit, verschiedene Einsatzszenarien zu simulieren, um besser auf realweltliche Herausforderungen vorbereitet zu sein.

Der Einsatz eines Erprobungsträgers ist dabei ein pragmatischer Ansatz, um Erfahrungen zu sammeln und die entwickelten Systeme zu validieren, um die Weiterentwicklung in diesem aufregenden und schnelllebigen Technologiefeld voranzutreiben.

 

Daniel Moldrings,
Sales & Business Development Executive, Air Systems, MBDA Deutschland

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