Der neue Kampfpanzer MGCS nach Boxer-Muster?

Heute fand in Frankreich ein weiteres Treffen der beiden Verteidigungsminister zum deutsch-französischen Kampfpanzer-Projekt Main Ground Combat System (MGCS) statt. Dabei verkündete Verteidigungsminister Boris Pistorius auch den vorgesehenen Zeitplan. Das Projekt MGCS soll demnach bis Dezember dieses Jahres detailliert genug definiert sein, dass es dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Bewilligung der Mittel für die nächste Phase vorgelegt werden kann.

Während das deutsch-französische Projekt MGCS still stand, schloss Ungarn im Dezember 2023 einen Vertrag mit Rheinmetall, um deren neuesten Kampfpanzer KF51 Panther bis zur Serienreife zu entwickeln.
Während das deutsch-französische Projekt MGCS still stand, schloss Ungarn im Dezember 2023 einen Vertrag mit Rheinmetall, um deren neuesten Kampfpanzer KF51 Panther bis zur Serienreife zu entwickeln.
Foto: Rheinmetall

Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu legte bei der gemeinsamen Ansprache heute dar, dass sich bei der Verteilung der Anteile von MGCS „eine völlig ausgewogene Verteilung von 50/50“ ergebe. Deutschland sei als Lead-Nation allerdings für die Vertragsunterzeichnung mit den jeweiligen Unternehmen zuständig.

Die Technologiesäulen von MGCS

MGCS wird in Technologiesäulen unterteilt, bei denen jeweils ein Unternehmen aus der jeweiligen Leadnation die Führung innehat – analog zum Aufbau der Technologiesäulen beim Future Combat Air System (FCAS, auf französisch SCAF). Das BMVg benannte mittlerweile diese Säulen mit den folgenden nationalen Zuständigkeiten:

  • Säule 1 – MGCS-Plattform mit Fahrgestell und automatisierter Navigation unter deutscher Führung
  • Säule 2 – Kanone, Turm und Munition unter deutsch-französischer Führung. In einem ersten Schritt sollen jeweils national unterschiedliche Kanonensysteme entwickelt und nach einer Vergleichserprobung ein System ausgewählt werden.
  • Säule 3 – Sekundärbewaffnung mit zum Beispiel Lenkflugkörpern unter französischer Führung
  • Säule 4 – Kommunikations-, Führungs- und Einsatzsystem als „digitales Nervensystem“ unter deutsch-französischer Führung
  • Säule 5 – Simulationsumgebung unter deutsch-französischer Führung
  • Säule 6 – Sensorik unter französischer Führung
  • Säule 7 – Schutz und Drohnenabwehr unter deutscher Führung
  • Säule 8 – Unterstützung, Logistik und Infrastruktur unter deutsch-französischer Führung

Für jede dieser Säulen wird eine Nation und aus dieser Nation ein Unternehmen im Lead sein, während die anderen Industrien diesem Lead unterstellt werden. „Außerdem steht noch die Gründung einer Projektgesellschaft an, die aus den Firmen KNDS Deutschland, KNDS France, Rheinmetall Landsysteme und Thales SIX bestehen soll“, berichtet das BMVg und führt weiter aus: „Sie deckt unter gemeinsamer deutsch-französischer Führung die vier Plattformanteile des Gesamtsystems MGCS – also die Kanonenplattform, die Flugkörperplattform, die Kampfunterstützungsplattform und das Einsatzsystem – ab.“

„Das wird natürlich die verschiedenen Unternehmen dazu zwingen, zusammenzuarbeiten“, betonte Lecornu und schloss: „Der Kern unserer Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen ist, dass wir festlegen, dass wir ab 2040 denselben Panzer bauen.“

Vorstellungen des Heeres an MGCS

Im Vorfeld der Verkündung gab das Deutsche Heer heute zudem Details zum MGCS bekannt. „Klar ist nach heutigem Stand bereits, dass es mit MGCS nicht mehr den einen klassischen Kampfpanzer geben wird“, betont das Heer. „Stattdessen ist das MGCS ein Multiplattformsystem, das nur in seiner Gesamtheit alle Fähigkeitsforderungen in Gänze erfüllt. Basis dabei ist eine identische Fahrzeugwanne, auf der verschiedene Fähigkeitsmodule platziert werden. Mehrere solcher Fahrzeuge mit unterschiedlichen Spezialisierungen würden dann miteinander im Verbund operieren. Eine Studie oder ein Modell des Gesamtsystemdemonstrators liegen bislang nicht vor.“

Damit macht die Bundeswehr deutlich, was sie sich wünscht und was der aktuelle Sachstand ist. Weit gediegen ist das Projekt demnach in den Jahren seit dem Beginn der Konzeptphase in 2016 nicht. Es gab in dieser langen Zeit immer wieder Nationen, die sich für MGCS interessierten, aufgrund des Stillstands allerdings wieder absprangen. Aktuell soll noch Italien an einer weiteren Zusammenarbeit Interesse zeigen.

Weiterhin unbekannt ist zudem, in wie weit die Vorstellungen der beiden Streitkräfte miteinander in Einklang gebracht werden können. Das Deutsche Heer plant laut der oben genannten Beschreibung gewissermaßen einen Kampfpanzer nach Boxer-Konzept, mit Fahrmodulen und Missionsmodulen. Ähnliches wurde aus Frankreich bisher noch nicht publiziert.

Vorteile der deutschen Industrie

Die wehrtechnische Industrie im Bereich des Panzerbaus ist zudem nicht unbedingt darauf angewiesen, ihr gesamtes Know-how in diese politisch gewollte Zusammenarbeit zu stecken, weder die deutsche noch die französische.

So besitzt KNDS Deutschland (ehemals KMW) mit dem Leopard-Kampfpanzer eine stabile Basis für Weiterentwicklungen. Mit dem Zusammenschluss der Leopard-Nutzerstaaten (LEOBEN) verfügt das Unternehmen zudem über genügend Exportkunden, um die Plattform auch für die nächsten Jahrzehnte einsatzgeeignet zu erhalten.

Rheinmetall stellte wiederum mit dem Kampfpanzer KF51 Panther im Juni 2022 eine eigene Entwicklung vor, der Erstkunde ist Ungarn.

Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs winken hingegen aktuell nur mit einem Entwicklungsvertrag, bei dem das Firmenwissen zudem mit anderen Unternehmen geteilt werden müsste. Es bleibt dementsprechend spannend, ob und wann tatsächlich ein MGCS das Licht der Welt erblickt. Die Voraussetzungen hierfür sind zumindest beim gemeinsamen Kampfpanzer deutlich schlechter als beim Kampfflugzeug.

 

Ergänzt am 26. April 2024, 19.30 Uhr, um die nationale Zuständigkeit der Technologiesäulen.

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