LogistikNutzung

Spezialpionierregiment 164 „Nordfriesland“ – Auftrag, Fähigkeiten und Ausbildung

Die Streitkräftebasis nimmt für die Bundeswehr querschnittliche Aufgaben wahr, also Aufgaben, die organisationsbereichsübergreifend für Heer, Luftwaffe, Marine, dem Zentra­len Sanitätsdienst und dem Cyber- und Informationsraum gleichermaßen anfallen. Man hat damit die Möglichkeit eines „Service aus einer Hand“ geschaffen.

Einer dieser teilstreitkraftübergreifenden Dienstleister für die Bundeswehr ist das Spezialpionierregiment 164 „Nordfriesland“, das dem Logistikkommando der Bundeswehr in Erfurt unterstellt ist. Das Regiment umfasst ca. 1.500 hoch qualifizierte Spezialisten und gliedert sich in acht aktive Kompanien, einer nicht-akti­ven Kompanie, dem Stabszug sowie einem Stützpunkt für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit. In den aktiven Einheiten leisten Soldaten aus allen Teilstreitkräften nebeneinander Dienst, dabei ca. 5 % Marineuniformträger, 25 % Luftwaffenuniformträger und 70 % Heeresuniformträger. Alle Kräfte des Regiments sind in der Julius-Leber-Kaserne im nordfriesischen Husum stationiert.

Spezialpionierregiment 164: Soldaten bauen die Wasseraufbereitungsanlage WTC1600GT für die Wasserentnahme aus der Mosel auf vor dem Tag der Bundeswehr 2019 in Koblenz.
Soldaten bauen die Wasseraufbereitungsanlage WTC1600GT für die Wasserentnahme aus der Mosel auf vor dem Tag der Bundeswehr 2019 in Koblenz.
Foto: Bundeswehr

Dem Leitspruch des Regiments folgend, stellen die Soldatinnen und Soldaten des Regiments für die Einsatzkontingente der Bundeswehr die Unterbringung in Feldlagern sowie die Kraftstoffversorgung aus Feldtanklagern sicher. Kurz: das Spezialpionierregiment 164 ist in der Lage, überall auf der Welt eine „kleine Stadt“ mit all dem, was zum Leben benötigt wird, aufzubauen.

Der konkrete Auftrag des Regiments umfasst dabei im Wesentlichen:

  • Die Sicherstellung der stationären Unterbringung von Kräften im Einsatz durch Erkundung, Planung, Bau und Betrieb von Feldlagern
  • Die Erkundung, Planung, Bau und Betrieb von Feldtanklagern und Pipelineanlagen aus Feldpipelinematerial
  • Die Unterstützung der zivilen Betreibergesellschaft des Zentral- und Nordeuropäischen Pipelinesystems der NATO für Flugtreibstoff durch den Bau und Betrieb von Ersatzeinrichtungen
  • Die Instandsetzung von Feldlagermaterial in allen Einsatzländern mit einem mobilen Instandsetzungszug
  • Die Wasserversorgung mit Wassererschließung und den Bau von Brunnenfassungen, die Wasser­aufbereitung, die Trinkwasserbereitstellung sowie die Trink­wasserabfüllung unter Beachtung der hygienerechtlichen Bestimmungen
  • Die Durchführung der Allgemeinen Grund­ausbildung und des Heimatschutzes
  • Die Bereitstellung von Kräften und Mitteln zur Hilfeleistung bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen im Rahmen der Zivil- Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ).
Brunnenbau auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz.
Foto: Bundeswehr/Philipp Neumann

Für einen Einsatz werden „Kräftepakete“, in der Regel in Zugstärke, modular zusammengestellt. Der Auftrag der 1. Kompanie geht mit der Verantwortung für die beiden Wasseraufbereitungszüge, dem Bohrzug, dem Mobilen Instandsetzungszug sowie dem Grundausbildungszug weit über den Auftrag einer „normalen“ Versorgungskompanie hinaus.

Die Kompanie verfügt über den einzigen Bohrzug der Bundeswehr. Dieser ist in der Lage, innerhalb von fünf Tagen an zwei verschiedenen Orten weltweit Wasser bis zu einer Tiefe von 300 Metern zu erschließen. Der Zeitraum vom Beginn der Bohrung bis zur Fertigstellung eines Brunnens wird dabei wesentlich von der Tiefe der Wasserader und dem vorhandenen Gestein bestimmt.

Um eine günstige Lage für einen möglichen Brunnen zu identifizieren, arbeitet die Kompanie eng mit dem Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr zusammen. Für die Wasserauf­be­reitung stehen der Kompanie zwei Wasseraufbereitungszüge mit je drei Groß- und drei Kleingruppen zur Verfügung. Die Wasseraufbereitungsgruppe „groß“ ist in der Lage, unter Idealbedingungen 120 m3 Trinkwasser pro Tag bereitzustellen.

Dies bedeutet, dass ein Feldlager mit 900 Soldaten komplett mit Trink- und Brauchwasser versorgt werden kann. Eine „kleine“ Wasseraufbereitungsanlage ist in der Lage, pro Tag bis zu 33 m3 Trinkwasser bereitzustellen – genug für 300 Soldaten.

Ebenso wie die Versorgung mit Betriebsstoff ist die Verfügbarkeit von (Trink-)Wasser in jedem Einsatzszenarium von strategischer Bedeutung und Voraussetzung für jegliche Operationsführung. Für jeden Soldaten im Einsatzland sind dazu planerisch 70 Liter Wasser pro Tag anzusetzen. Dies beinhaltet natürlich nicht nur Trinkwasser, sondern auch das Wasser für beispielsweise das Feldlazarett, die Feldwäscherei oder auch zur Verpflegungsherstellung.

Errichtung einer Zeltstadt für 2.000 Personen in Garlstedt 2020.
Foto: Bundeswehr

Für den Bau und Betrieb von Feldlagern verfügt das Spezialpionierregiment 164 mit der 2. bis 7. Kompanie über sechs Kompanien mit je drei Feldlagerbetriebszügen. Jeder dieser Züge ist in der Lage, ein Feldlager für die Unterbringung von bis zu 1.000 Soldaten zu errichten und zu betreiben. Dazu zählen Komponenten wie z.B. Wohn-, Verpflegungs- und Stromerzeugungscontainer sowie Sanitärbereiche.

Zur Versorgung der unterstützten Einsatzkontingente ist in jeder Kompanie ein eigener Zug für Verpflegung und Betreuung vorhanden; hier finden sich das Feldkochpersonal und das Verpflegungsmeisterpersonal des Regiments wieder. Für den Aufbau eines Feldlagers benötigt ein Feldlagerbetriebszug unter Idealbedingungen und nach Abschluss aller vorbereitenden Maßnahmen wie zum Beispiel Betonarbeiten ca. drei Wochen.

Für den Bau und den Betrieb von Feldtanklagern ist die 8. Kompanie verantwortlich – die einzige aktive Pipelinepionier- kompanie der Bundeswehr. Sie verfügt über drei Pipelinepionierzüge; jeweils ein Halbzug ist in der Lage, ein Feldtanklager zu errichten und zu betreiben. Dabei wird der konkrete Personalbedarf auftragsbezogen durch Menge und Art des vorzuhaltenden Betriebsstoffes bestimmt. Für den Bau eines Feldtanklagers mit 1.200 m3 sind dabei ca. zehn Tage anzusetzen. Zum Bau eines Feldtanklagers verfügt die Kompanie über eigene Pioniermaschinenkräfte, da für die Bodenbearbeitung zur Errichtung von Tankbetten und Verkehrswegen beispielsweise je eine Pioniermaschinengruppe benötigt wird.

Feldtanklager können eine Größe von bis zu 4.000 m3 Betriebsstoff erreichen, was in etwa dem Inhalt von zwei olympischen Schwimmbecken entspricht. Mit dem modular aufbaubaren Tanklager hat das Spezialpionierregiment 164 dabei hervorragende Erfahrungen gemacht. Über viele Jahre wurde dieses in Afghanistan betrieben und dabei der Kraftstoff für den gesamten Flugbetrieb im nördlichen Afghanistan bereitgehalten.

Mit diesem mehrjährigen Einsatz konnten die Soldatinnen und Soldaten der Pipelinepionierkompanie ein hohes Maß an Expertise und Einsatzerfahrung erwerben. Der ZMZ-Stützpunkt der Spezialpioniere ist mit seinen Pioniermaschinen in der Lage, bei Katastrophenfällen zum Beispiel Sturmfluten, Überschwemmungen, Sturmschäden, Schneekatastrophen und besonders schweren Unglücken die zivilen Behörden nach Amtshilfeersuchen jederzeit zu unterstützen.

Hierfür hält der Stützpunkt einen vielfältigen Fuhrpark an Baumaschinen bereit. Zu diesem zählen u.a. das Faltstraßengerät, aber auch handelsübliche Baumaschinen wie Ketten- und Mobilbagger, Schwenklader, Grader, Mehrzweckraupen, Kipper und Krane. Die Leistungsfähigkeit des Stützpunktes wurde u.a. beim Hochwasser in Lauenburg 2013, beim Moorbrand in Meppen 2018 sowie im Zuge der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

(l.) Feldtanklager auf dem Truppenübungsplatz Bergen im Rahmen der Übung DEFENDER EUROPE 2020.
(r.) Das Spezialpionierregiment 164 errichtet ein Zeltlager für die ameri-kanischen Soldaten im Rahmen der Übung Defender Europe 2020 in Garlstedt.
Fotos: Bundeswehr

Einsatz, Übung und Berufsfelder des Spezialpionierregiment 164

Seit Aufstellung des Verbandes im Jahr 2003 sind Soldaten des Regiments „24/7/365“ in den Einsatzgebieten der Bundeswehr eingesetzt. Aktuell befinden sich dabei jährlich ca. 300 Soldaten des Regiments im Auslandseinsatz. Neben den Einsätzen im Rahmen des Internationalen Krisen- und Konfliktmanagements werden auch mögliche Einsätze im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung zunehmend bedeutsamer; hierzu gehört auch die Kräftegestellung für die Schnelle Eingreiftruppe der NATO (Very High Readiness Joint Task Force, kurz: VJTF) in den Jahren 2022-2024.

Die konsequente Ausrichtung auf die Auftragserfüllung im Einsatz führt zu einem in der Bundeswehr außergewöhnlich hohen Anteil von Spezialisten im Regiment, die mit ihren Qualifikationen der zivilen Ebene Geselle und Meister entsprechen. Weit über 200 Eingangsberufe sind für eine Verwendung im Spezialpionierregiment 164 geeignet.

Dazu zählen u.a. Fachkräfte für Holzverarbeitung, Metallbau, Kochen, Beton- und Stahlbetonbau, Baugeräteführung, Anlagenmechanik, Brunnenbau, Elektronik/Mechatronik und zahlreiche weitere mehr. Bei Vorliegen der erforderlichen Qualifizierungen können sich ungelernte Soldatinnen und Soldaten durch entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen auf der Ebene Geselle qualifizieren; Soldatinnen und Soldaten, die bereits als Geselle in das Spezialpionierregiment eintreten, können während ihrer Dienstzeit eine Ausbildung auf Meisterebene absolvieren. Der Bedarf dafür ist da.

So verfügt das Regiment beispielsweise über Dienstposten für knapp 70 Installateur- und Heizungsbauermeister, über 50 Industriemeister Mechatronik/Elektrotechnik, 25 Wassermeister, knapp 50 Küchenmeister, sechs Brunnenbauermeister und knapp 50 Dienstposten für Maurer-/Betonbaumeister, Straßenbauermeister und Baumaschinenmeister. Damit gehört das Spezialpionierregiment 164 mit diesem vielfältigen und sehr handwerklich geprägten Aufgabenspektrum zu einem der spezialisiertesten Verbände der Bundeswehr.

Flutkatastrophe im Ahrtal 2021.
Foto: Bundeswehr

Corona-Pandemie

In Zeiten der Corona-Pandemie kamen weitere Betätigungsfelder für das Spezialpionierregiment 164 hinzu. Als im Jahr 2020 das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zur Eindämmung der Corona-Pandemie obligatorisch wurde, produzierte das Regiment mit einer aus freiwilligen Soldatinnen und Soldaten zusammengestellten „Task Force“ 7.500 Stoffmasken, um jeden Soldaten des Regiments mit fünf Masken ausrüsten zu können.

Mit Beginn der Amtshilfeleistung durch die Bundeswehr unterstützten Angehörige des Regiments die Gesundheitsämter der Region bei der Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten und durch das Betreiben der Bürgertelefone.

Daneben wurden und werden Unterstützungskräfte für Impfzentren, Alten- und Pflegeheime und später folgend für Corona-Testzentren gestellt. Zu Spitzenzeiten waren dabei knapp 200 Soldatinnen und Soldaten des Regiments täglich eingebunden. Planerisch wurden bis zu 550 Angehörige des Regiments für die Unterstützung ziviler Organisationen und Behörden im Rahmen der Corona-Amtshilfe vorgehalten.

Ausbildung in der sachgerechten Durchführung von Corona-Schnelltests durch das Deutsche Rote Kreuz vor dem Einsatz in Hamburger Alten- und Pflegeheimen.
Foto: Bundeswehr/Herholt

Freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz

Seit dem 1. April 2021 bildet der Verband im Rahmen der Kampagne „Dein Jahr für Deutschland“ freiwillig Wehrdienst­leistende Frauen und Männer für den Heimatschutz aus. Dabei durchlaufen diese u.a. beim Spezialpionierregiment 164 die Allgemeine Grundausbildung, gefolgt von einer auf den Heimatschutz ausgerichteten Spezialgrundausbildung an den Standorten Berlin, Wildflecken und Delmenhorst. Anschließend stehen die freiwillig im Heimatschutz Wehrdienstleistenden Soldaten in einem Zeitraum von sechs Jahren der Territorialen Reserve als Reservistendienstleistende zur Verfügung.

Das bedeutet, dass sie in diesem Zeitraum an Übungen und Ein­sätzen, z. B. bei Naturkatastrophen, teilnehmen, bis sie insgesamt fünf weitere Monate Dienst geleistet haben. Während oder nach dem freiwilligen Wehrdienst können sie sich dabei auch für ein anderes Dienstverhältnis zum Beispiel als Soldatin oder Soldat auf Zeit und/oder in eine andere Laufbahn zum Beispiel die der Unteroffiziere bewerben.

Zusammenfassend ist das Spezialpionierregiment der Bundeswehr eine unverzichtbare Unikatfähigkeit als Verband der Streitkräftebasis immer dort, wo es gebraucht wird. Treu dem Motto „Im Norden von Deutschland – Überall auf der Welt“ hat sich das Spezialpionierregiment 164 „Nordfriesland“ im Inland sowie im Ausland einen sehr guten Ruf erworben. Man versteht sich nicht umsonst als Dienstleister in allen Lagen.

 

Kapitänleutnant Volker Köthe,
Zugführer III Zug Feldlagerbau-/betriebszug, 3./Spezialpionierregiment 164 in Husum

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