Die Uboote der Klasse U212A gehören zu den weltweit modernsten Ubooten. Sie sind 2005 in der Deutschen Marine eingeführt worden. Zunächst als rein nationales Vorhaben geplant, wurde im Vorhabenverlauf gemeinsam mit der Italienischen Marine Militare ein hochmodernes außenluftunabhängiges Uboot konzipiert und realisiert, dessen Antriebsanlage für Tauchfahrten auf einer zusätzlichen Energiequelle auf Brennstoffzellen-Technologie basiert. Aufgrund dieser Antriebsanlage und dem Gesamtlayout gelten die Uboote als die leisesten der Welt. Insgesamt wurden sechs Boote dieser Klasse für Deutschland gebaut. Italien hat vier erhalten und baut derzeit weitere zwei in einem dritten Los. Sie sind momentan die einzigen Uboote, nachdem die letzten Boote der Klasse 206A im März 2011 außer Dienst gestellt wurden. Kooperation und gemeinsames Design sind daher im Ubootbau in Deutschland bereits gelebte Praxis und dienten als „Blaupause“ für ein gemeinsames Design einer neuen Uboot-Klasse in Kooperation mit der Norwegischen Marine.
(Dieser Artikel erschien zuerst im cpmFORUM 4/23)
WAS IST NUN U212 CD?
Bilaterale oder Internationale Kooperation bei Rüstungsvorhaben hat im westlichen Bündnis eine lange Tradition. Gerade im Ubootbau – aber nicht nur hier – gibt es aus der Vergangenheit diverse Beispiele, die zum Wohl des Nutzers durch Zusammenarbeit in der Realisierung Waffensysteme interoperabel und kostenreduzierend realisiert werden konnten. Im Bereich der Uboote sind hier die Kooperation mit der Italienischen Marine beim Vorhaben U212A zu nennen, oder aber auch die auf gemeinsamer technischer Grundlage entstandenen Uboote der jetzt zu ersetzenden norwegischen Boote der ULA-Klasse.
U212 CD geht aus hiesiger Sicht aber darüber hinaus. U212 CD setzt auf dem sich in der Deutschen und Italienischen Marine bewährten Design der Uboote der Klasse U212A auf. Der hier gewählte „cooperative approach“ umfasst nicht nur Kostenteilung und Operationelle Fähigkeiten, sondern das gemeinsame Investment in das Vorhaben, die gemeinsame Entwicklung im Rahmen der „Force Generation“, die Aufgaben, die im Rahmen der Nutzung anfallen sowie weitere in der Zukunft geplante Mid-Life-Updates. Bereits 2017 wurde zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Norwegischen Verteidigungsministerium ein Memorandum of Understanding – das sogenannte Naval Defence Material Cooperation MoU abgeschlossen.
Inhalte des NDMC MoU war eine weitreichende Verteidigungszusammenarbeit, die neben dem gemeinsamen Bau der Uboote, die Entwicklung und den Bau von Lenkflugkörpern für die Marine, gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, eine verstärkte Zusammenarbeit der beiden Marinen sowie die technologische Entwicklung, die Ausbildung und Ersatzteilbewirtschaftung und Wartung der neuen Uboote einschloss. Verbunden damit war der Wille zu einer Stärkung der Zusammenarbeit der jeweiligen Industrien insgesamt.
Ziel der Naval Defence Material Cooperation (NDMC) war somit die Einrichtung einer strategischen Allianz (Kooperation) im Bereich der Entwicklung und Beschaffung sowie einer gemeinsamen Nutzungsunterstützung (common in-service support). Dabei wollte man Vorteil und Nutzen ziehen aus dem jeweiligen nationalen Know-how und den einzelnen nationalen Fähigkeiten. Dies sollte wiederum zu Synergien in der Zusammenarbeit führen. Durch die Teilung von Aufgaben und Kosten zwischen den beiden Partnern sollten einerseits technologische und finanzielle Vorteile erreicht werden und gleichzeitig Doppelarbeit vermieden werden.
Entstanden ist hieraus ist nach langen und intensiven Verhandlungen ein gemeinsames Uboot-Projekt – das U212 CD Submarine Programme. Für Norwegen war es dabei wichtig, auf ein bestehendes Uboot-Konzept zurückgreifen zu können, um die Unsicherheiten und Kosten einer Neuentwicklung zu vermeiden. Mit thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) stand für die Realisierung ein industrieller Partner bereit, mit dem man einen im konventionellen Uboot-Bau als Weltmarktführer erfahrenen Player hatte.
Wollte man dieses Programm in seiner Kürze zusammenfassend darstellen, dann bildet es folgendes ab:
Der Schwerpunkt der Forderungen liegt auf:
- Reichweite und Mobilität,
Forderung nach weitgehender Unsichtbarkeit/Stealth - Fähigkeiten,
Hohe Feuerkraft,
Weitreichende und hochgenaue Sensoren,
Möglichkeit zur Verbringung von Special Forces.
In der Umsetzung bedeutet dies für die Realisierung:
- Entwicklung und Bau von sechs Ubooten der Klasse U212 CD auf gemeinsamer Forderungsbasis und gemeinsamem Concept of Operations,
- gemeinsame Abnahme und Einsatzprüfungen (full capability tests),
- eine gemeinsam durchgeführte und begleitete Bauphase, ¾ zur Durchführung der gemeinsamen Instandhaltungs- und Instandsetzungsfähigkeiten ist geplant, in Norwegen ein „Lifetime Management Program Office“ und eine dezidierte
- Instandsetzungseinrichtung (tailored new maintenance yard) mit gemeinsamer Ersatzteilbeschaffung und -haltung und komplett gemeinsamer Nutzungsunterstützung zu eröffnen; dabei behalten beide Nationen durch die jeweilige Einbindung der vorhandenen Einrichtungen jeweils die nationale Souveränität, wenn nicht in der Quantität, so doch in der Qualität,
- Sensorik und Bewaffnung werden für beide Kooperationspartner gleich sein,
- die Kommunikationsausrüstung kann sich in Details unterscheiden,
- durch Nutzung und Weiterentwicklung bewährter und einsatzerprobter Technologie (Batterie und Brennstoffzellentechnologie) wird das Risiko in der Realisierung soweit wie möglich reduziert,
- die Realisierung erfolgt so, dass keine Fähigkeitslücke zwischen der Ausphasung alter Boote und Indienststellung der neuen Boote entsteht und
- das Ganze in internationaler Kooperation mit der Möglichkeit für weitere Partner, hinzuzutreten.
Für das Projektmanagement wurde:
- ein gemeinsames deutsch-norwegisches Projektbüro eingerichtet, das die Herstellung und Lieferung aller Uboote eng begleitet und die gemeinsamen Projekt- und Managementpläne gemeinsam abarbeitet,
- eine ständige Kontrolle der Planungsansätze und des vertraglich vereinbarten Projektumfangs gehören ebenfalls zu dessen Aufgaben.
DAS BOOT
Auf der Grundlage des Systems U212A wurde für U212 CD das System stringent auf Basis aktuell verfügbarer Technologien weiterentwickelt und dabei in seinen Fähigkeiten signifikant verbessert. Wie auch die Vorgängerklassen werden die Boote aus nicht magnetisierbarem Stahl gebaut werden und neben dem konventionellen dieselelektrischen Anteil über eine außenluftunabhängige Antriebsanlage verfügen. Geänderte Mobilitätsansprüche und die Forderung hinsichtlich der Seeausdauer durch ein auf den Schwerpunkt Nordatlantik ausgedehntes Operationsgebiet führen allerdings zu einem Zuwachs an Tonnage. Dies hat wiederum auch Auswirkungen auf die Antriebsanlage.
Die Weiterentwicklung der Forderungen zur Unterwasser-Seekriegführung kann beispielhaft an der Gestaltung der Unterwassersensorik aufgezeigt werden. U212 CD wird hinsichtlich seiner Unterwasserortungsfähigkeiten einen bedeutenden Fähigkeitsaufwuchs bekommen. Das im Bugbereich angeordnete Conformal Sonar Array verfügt über eine deutlich gesteigerte Ortungsfähigkeit. Auch das Flank-Array wird zukünftig über eine bedeutend gesteigerte Leistungsfähigkeit verfügen. Als Anhalt sei der Faktor 10 bei der Anzahl der akustischen Empfangskanäle genannt. Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht nur auf einen mit neuen Technologien ausgestatteten Bootsentwurf hinausläuft, sondern dass die heute verfügbaren leistungsfähigen Technologien zu einer signifikanten Fähigkeitssteigerung genutzt werden. Und dies nicht nur bei der Sensorik.
Die Forderungen nach verbesserten Stealth-Eigenschaften des Bootes führt auch hinsichtlich der Schiffslinien zu einem neuartigen „diamantähnlichen Design“. So wird der Entwurf U212 CD so ausgeführt werden, dass die Ortung des Bootes mit Aktivsonaren soweit wie möglich reduziert werden wird. Der Anspruch an die eigenen Geräuschemissionen orientiert sich an U212A – und das bei gesteigerter Größe.
Die Einsatzanforderungen an Uboote haben sich seit dem Design und der Indienststellung von U212A verändert. Anforderungen an Größe, Waffenmix und Einsatzoptionen haben sich verändert und sind sowohl quantitativ als auch qualitativ angewachsen. Dies führt bei U212 CD sowohl zu einer Veränderung bei der Verdrängung (sie liegt bei knapp unter 3.000 t) als auch zu einem Längenaufwuchs auf etwa 74 m Länge über alles. Die Einsatzreichweite und Einsatzgeschwindigkeit sollen größer oder gleich denen bei U212A sein. Auch bei den Anforderungen an die akustische Signatur – dem Alleinstellungsmerkmal von U212 A – soll es keine Veränderungen geben.
Wie bereits erwähnt, wird bei U212 CD auf bewährte aber zukunftsorientiert weiterentwickelte Technologien zurückgegriffen werden. Und das nicht nur beim Schiffbau, sondern auch bei Sensorik und Waffen.
Besondere Bedeutung haben dabei die Fahrbatterien. Um den gestiegenen Anforderungen an die Seeausdauer gerecht werden zu können, gibt es Planungen, die in die Jahre gekommene Technologie der auf Säure-Blei-Basis beruhenden Batterien zukünftig durch die fortschrittliche Lithium-Ionen-Technologie zu ersetzen. Hierzu war in der Vergangenheit eine Technologiestudie in Auftrag gegeben, die die grundsätzliche Realisierbarkeit festgestellt hat. „Fittet for“ kann in Kombination mit der bereits aus U212A bekannten weiterentwickelten Brennstoffzellen-Technologie diese Technologie zu einer deutlichen Leistungssteigerung beim Antrieb beitragen.
Gleiches gilt für den Waffenmix. U212 CD soll sowohl über Lenkflugkörper, als auch über Unterwasserwaffen zum Eigenschutz verfügen. Lange hat man in Deutschland auf eine Fähigkeit zur Abwehr von Ujagd-Hubschraubern gewartet, oft geplant und genauso oft aus Haushaltsgründen geschoben, soll U212 CD mit dem Flugkörper IDAS über diese Fähigkeit verfügen.
Mit dem DM 2A4 verfügt die Marine über einen bewährten und seit langer Zeit eingeführten Seezieltorpedo. Auf der Grundlage dieses bewährten Designs wird es für U212 CD zu einer Weiterentwicklung der Seezielbekämpfungsfähigkeiten gemeinsam mit Norwegen hin zu einem DM 2Ax führen. Mit dem SEASPIDER wurde in Deutschland in den vergangenen Jahren eine Technologie entwickelt, mittels „Hardkill“ angreifende Torpedos abwehren zu können. Diese Technologie soll auf U212 CD zu einer deutlichen Verbesserung des Eigenschutzes gegen angreifende Torpedos beitragen.
Die jeweiligen nationalen Bauverträge für das Uboot-Vorhaben wurden am 8. Juli 2021 durch die Beschaffungsorganisationen der Verteidigungsministerien Norwegens und Deutschlands unterschrieben. Damit hat die Realisierung der Boote begonnen. Die beauftragte Werft thyssenkrupp Marine Systems beziffert das Auftragsvolumen auf ca. 5,5 Milliarden Euro. Im Vertrag ist eine Option für weitere Boote für beide Vertragsstaaten vorgesehen.
Das Projekt läuft mit dem sogenannten Preliminary Design Review (PDR) mit Abschluss Ende 2022 planmäßig. Der Abschluss der Entwicklungsarbeiten (Critical Design Review CDR) ist für den September 2024 vorgesehen. Der erste Stahlschnitt für das erste Boot wird im September 2023 sein. Die Auslieferung des ersten Bootes (Baunummer 1) ist an die Norwegische Marine vorgesehen und wird für 2029 erwartet. Dieses Boot ist gleichzeitig das Typboot für beide Marinen und wird gemeinsam abgenommen.
Die für Deutschland vorgesehenen zwei Boote (Baunummern 3 und 5) sind für 2032 und 2034 geplant. Begleitet wird die Bauphase durch eine gemeinsame bilaterale Joint Test- und Delivery-Phase von 2026-2035. In dieser Zeit beginnend wird auch das geplante Lifetime Management Programme Office in Haakonsvern eingerichtet werden. Gleichzeitig wird für die planmäßigen Instandhaltungsmaßnahmen eine neu zu bauende Instandsetzungswerft bereits jetzt aufgebaut. Im Rahmen Reach-back soll dabei auf die Fähigkeiten des Deutschen Marinearsenals in nationaler Zuständigkeit zurückgegriffen werden.
STÄRKUNG DER ZUSAMMENARBEIT DER MARINEN
Der oben geschilderte „cooperative approach“ bei Design und Bau eines Bootes wird ergänzt durch einen kooperativen Ansatz auch im Bereich der Nutzung und des Einsatzes des Bootes. Ausgehend von einem gemeinsamen Concept of Operations (CONOPS) wurden für den Bau gemeinsame Fähigkeitsforderungen entwickelt. Über die Festlegung eines gemeinsamen Waffenarsenals und dem gleichartigen Bootsdesign führte dies zu identischen Ubooten für beide Marinen.
Zweckmäßig und zielführend wird hierauf auch ein gemeinsames Ausbildungskonzept für die Besatzungen sowie ein gemeinsames Nutzungskonzept mit Instandhaltung und Instandsetzung aufgestellt. Auf dieser Basis wird es zukünftig möglich sein, ein hohes Maß an Interoperabilität auch in gemeinsamen Operationen und mit gemeinsamen/gemischten Crews zu erreichen. Dies führt zu einer hohen Resilienz und einer hohen Effizienz im Betrieb der Boote.
WIE SIEHT DIE ZUKUNFT AUS?
Kann dieser kooperative Ansatz der Grundstein für weitere Kooperationsaktivitäten sein? Schaut man sich die AOR (areas of responsibiliy) der einzelnen Nationen des westlichen Bündnisses an, dann werden in einem Bündnisszenario Notwendigkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit sichtbar. Gemeinsame Fähigkeiten auf Basis gemeinsamer, vergleichbarer Ausrüstung werden in einem derartigen Szenar die Aufgaben signifikant erleichtern.
In einem ersten Schritt wurde bereits auf der Grundlage des gemeinsamen Schiffsentwurfs mit Norwegen auch das Uboot-Bauvorhaben zum Ersatz der Niederländischen Walrus-Klasse gestaltet (U212 CDE). Auch andere Nationen, insbesondere Kanada, stehen vor dem Schritt des Ersatzes ihrer aus der Nutzung laufenden Uboot-Klassen. Hier bietet sich an, die bereits bestehenden Kooperationen zu öffnen und für neue Partner anzupassen. So kann der größtmögliche Gewinn aus den bestehenden Programmen gewonnen werden und unter dem Gesichtspunkt der Bündnisverteidigung bestmögliche Fähigkeiten im Bereich konventioneller Uboote bereitgestellt werden.
Die Vision ist eine möglichst große Flotte gleicher Uboote für einige Marinen rund um den Nordatlantik, die aber gleichzeitig auch weltweit einsetzbar sind.
Rainer Krug
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