Die sich noch geschäftsführend im Amt befindliche Bundesregierung hat Medienberichten zufolge den Export der 40 Eurofighter für die Türkei vorläufig gestoppt. Grund dafür sei die Inhaftierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğans (AKP) stärkstem Herausforderer, Ekrem İmamoğlu (CHP). Der wiederum kritisierte Deutschland für den Kurswechsel – aus dem Gefängnis heraus. CPM Defence Network sprach mit dem stellvertretenden Parteivorsitzenden und Sprecher für Verteidigungsangelegenheiten der CHP-Fraktion, Admiral a.D. Yankı Bağcıoğlu, über die Bedeutung des Eurofighter-Verkaufs für die Türkei.
Die türkische Regierung will den Kauf von 40 Eurofighter Typhoon, um ihre alternde Luftwaffe zu modernisieren. Geplant war eigentlich, diese Modernisierung durch eine Teilnahme am F-35-Programm der USA zu erreichen, doch als Reaktion auf den Erwerb russischer S-400-Luftabwehrsysteme schlossen die USA ihren NATO-Partner 2019 vom Programm aus. Daraufhin blieb Ankara nur die Suche nach einer europäischen Alternative wie eben jene Eurofighter für die Türkei – zumindest bis der eigene Kampfjet KAAN endlich fliegt.
Die von einem Konsortium aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien entwickelten Eurofighter gelten als leistungsfähige Multirollenjets mit enormer Schlagkraft. Eine von mehreren Optionen für die Türkei. Doch ein Export ist nur möglich, wenn alle vier Länder zustimmen.
Lange galt Deutschland als Blockierer aufgrund des Verhaltens der Türkei – darunter die Menschenrechtslage im Land und Angriffe auf Territorien der südlichen Nachbarstaaten. Doch hatte Kanzler Olaf Scholz nach seinem Besuch bei Präsident Recep Tayyip Erdoğan Ende letzten Jahres eigentlich den Weg für einen Verkauf frei gemacht.
Eurofighter für die Türkei als Zeichen der Verbundenheit
Scholz stellte klar: Ein NATO-Partner wie die Türkei habe „selbstverständlich“ Anspruch auf europäische Rüstungsgüter. Zumal aus türkischer Sicht Deutschland einer der engsten militärischen Partner ist.
„Die militärische Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland besteht bereits seit mehr als 100 Jahren“, erinnerte Admiral a.D. Bağcıoğlu im Gespräch mit CPM Defence Network. „Gemeinsame Produktion oder Beschaffung von modernen Waffen, Systemen und Plattformen sind Beispiele für diese Zusammenarbeit.“
Kurz nach Scholz‘ Einsicht genehmigte der Bundessicherheitsrat Rüstungsexporte im Wert von rund 250 Millionen Euro an Ankara – darunter auch Lenkwaffen und Torpedos. Zwar waren die Eurofighter für die Türkei zunächst nicht explizit genannt, doch die politische Linie gesetzt. Seither schien der Weg frei. Zwei britische Eurofighter landeten im Dezember in Ankara, um dort von türkischen Militärs begutachtet zu werden.
Kurswechsel – İmamoğlu ist dagegen
Dann kam der März: Die mit fadenscheinigen Vorwürfen erfolgte Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters und gefährlichstem Erdoğan-Herausforderers Ekrem İmamoğlu wurde von der deutschen Regierung stark kritisiert. Neue Spannungen im sich gerade wieder glättenden Verhältnis beider Länder. In Medienberichten wurde dieses undemokratische Vorgehen als wahrscheinlicher Grund für den erneuten deutschen Kurswechsel genannt.
Doch diese Entscheidung gegen Eurofighter für die Türkei wird ausgerechnet von jenem Mann kritisiert, der mit ihr unterstützt werden sollte. „Die Türkei besteht nicht aus Erdoğan“, schrieb İmamoğlu jüngst auf Bluesky, „die Türkei ist größer als Erdoğan. Regierungen kommen und gehen. Die nationalen Interessen der Türkei sind mehr wert als Erdoğan und İmamoğlu. Ich bitte Sie, diese Entscheidung zurückzunehmen.“ Dabei richtete sich der Hoffnungsträger der türkischen Opposition explizit an die kommende Regierung Merz.
„Das Ende der Herrschaft von Erdoğan ist in Sicht“, schrieb İmamoğlu weiter und versprach für eine neue türkische Regierung einen demokratischen, pro-westlichen Kurs. So weit in die Zukunft geschaut, ergäben Eurofighter für die Türkei durchaus Sinn. Es ist jedoch mehr als das. İmamoğlus republikanische Volkspartei (CHP) vertrete den Standpunkt, dass ein starkes und gut ausgerüstetes Militär als Garant der Sicherheit der Türkei „aus der Politik herausgehalten werden muss“ erklärte Bağcıoğlu.
„Erfolgreiche Projekte, die das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit sind, sind der gemeinsame Stolz aller türkischen Bürger, unabhängig von ihrer politischen Einstellung“, führte Bağcıoğlu weiter aus. Nicht nur die Regierung Erdoğans, sondern auch der oppositionelle CHP-Vorsitzenden Özgür Özel setze sich demnach bei seinen Amtskollegen in der Bundesrepublik Deutschland für die Eurofighter-Beschaffung ein.
Zwischen Realpolitik und Verantwortung: Wie gefährlich ist der Deal?
Die Freigabe des Eurofighter-Exports hatte im vergangenen Jahr auch international Wellen geschlagen. Besonders Griechenland und Israel – mit denen die Türkei wiederholt Streitigkeiten in der Region austrägt – beobachten den Vorgang mit Sorge. Es steht die Frage im Raum, ob Eurofighter für die Türkei künftig zur Einschüchterung in der Ägäis oder für Einsätze in Nord-Syrien genutzt werden könnten.
„Das Grundprinzip der CHP ist ‚Frieden zu Hause, Frieden in der Welt‘, wie es der große Anführer Atatürk formulierte“, erklärte Bağcıoğlu die türkische Sichtweise. „Die geografische Lage der Türkei an der Südflanke der NATO ist jedoch eine Region, in der es jederzeit zu Krisen, Konflikten und Kriegen kommen kann. In dieser Situation ist es für die Türkei – die keinen Zentimeter Land von irgendeinem Staat begehrt – unerlässlich, über Streitkräfte zu verfügen, die diese Bedrohungen ausschalten können, um ihr Land und ihre Bürger zu schützen.“
Befürworter der Eurofighter für die Türkei betonen, dass Deutschland sich nicht aus sicherheitspolitischer Verantwortung stehlen dürfe. „Sowohl die Türkei als auch Deutschland sind als Mitglieder des NATO-Bündnisses Verbündete, die in enger Verbindung stehen und enge Beziehungen unterhalten“, bekräftigt Bağcıoğlu. „Gegenwärtig nehmen die Streitkräfte beider Staaten an gemeinsamen Operationen in verschiedenen Regionen für den Weltfrieden teil.“
Ein weiterer Bruch mit Ankara könnte neue geopolitische Risiken schaffen – insbesondere mit Blick auf Russlands Einfluss im Nahen Osten und dem Kaukasus.
Rüstungsexporte bleiben hochpolitisch
Admiral a.D. Bağcıoğlu verweist auch auf einen anderen möglichen Rüstungsexport, bei dem sich das lange Zögern zu einem Nachteil gerieren könnte: „Deutschland, das den Verkauf von Eurofightern an Saudi-Arabien sechs Jahre lang ausgesetzt hatte, gab diese Haltung schließlich auf, doch Saudi-Arabien hat in der Zwischenzeit Verhandlungen mit Frankreich über 54 Rafale-Kampfjets aufgenommen.“
Gerade mit Blick auf eine wachsende deutsche Rüstungsindustrie sollten nach Ansicht des türkischen Parlamentariers Exportgeschäfte wie die Eurofighter für die Türkei nicht vernachlässigt werden.
Der Fall verdeutlicht unabhängig von seinem möglichen Ausgang: Rüstungsexporte sind weit mehr als ein wirtschaftlicher Vorgang. Sie sind hochpolitisch. Im aktuellen Beispiel der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters zeigt sich der Exportstopp allerdings als unwirksam. Wenngleich andere Stimmen in der Türkei behaupten, İmamoğlus Kritik am deutschen Nein erfolge nur aus Sorge vor Nationalisten, die ihm eine „Schwächung der Türkei“ vorgeworfen hätten, hätte er die deutsche Entscheidung zu seinem Wohl begrüßt.
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