„Die Demokratie ist keine Spielwiese für Disruption“, sagte Steinmeier. Dabei würden vor allem Tech-Unternehmer und politische Populisten diesen Begriff gerne nutzen. Ein Stichwort, mit dem sie Erneuerung und das Lösen von alten Strukturen und Ansichten meinen. „Dieser Ruf“; sagte Steinmeier, „hat viele Märkte und Geschäftsmodelle umgekrempelt und revolutioniert. Das stimmt. Aber es stimmt eben auch: Die Demokratie ist kein Geschäftsmodell.“
Geopolitische Gegner – allen voran Russland – seien längst dabei, im digitalen Kommunikationsraum einen hybriden Krieg gegen liberale Demokratien zu führen. China hingegen nutze digitale Technologien zur autokratischen Machtentfaltung. „Und als wäre das nicht schon genug“, resümiert der Bundespräsident, „bildet sich in den USA derzeit eine – ich glaube historisch beispiellose – Konzentration von technologischer, finanzieller und politischer Macht heraus. Ich sage Ihnen offen: Als Demokrat macht es mir große Sorge“.
Es brauche daher ein starkes Europa, um diesen Herausforderungen zu entgegnen. Steinmeier sprach insbesondere Investitionen in die technologische Leistungsfähigkeit an. In dieser Woche seien dazu aus Brüssel und Paris die richtigen Signale gekommen.
Neben den langfristigen Herausforderungen der internationalen Sicherheitspolitik gibt es jedoch auch kurzfristige Ziele – das Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. „Dass dieser Krieg zu Ende geht, das wünschen sich alle“, sagte Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz. „Wie dieser Krieg zu Ende geht, das wird bleibenden Einfluss auf unsere Sicherheitsordnung und auch auf die Machtposition Europas und Amerikas in der Welt haben.“
Das deutsche Staatsoberhaupt ist überzeugt, dass ein reines Make a Deal and leave würde sowohl die Ukraine und Europa, aber auch die USA schwächen. Die Unterstützung der Ukraine und die eigenen Abschreckungsfähigkeiten müssten daher weitergehen.
Münchner Sicherheitskonferenz – Es gibt viel zu diskutieren
Unabhängig möglicher Erfolge von Waffenstillstandsverhandlungen werden die Europäer stärker in Rüstung investieren müssen – auch Deutschland. „Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen und die Schuldenbremse anpassen“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Beginn der Gespräche in München.
Die gegenwärtigen zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien in keinem Fall ausreichend für die Finanzierung der eigenen Verteidigung – unabhängig von der Frage, welche Regierungskonstellation es nach der Bundestagswahl am 23. Februar geben werde.
Die Signale aus den USA in Richtung Münchner Sicherheitskonferenz sind deutlich: Zukünftig müssen die Europäer selbst für die Sicherheit ihres Kontinents sorgen. Die Bundeswehr kann das bisher nicht leisten. Einen Aufwuchs der eigenen Fähigkeiten bräuchte es aber auch, um einen eventuellen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine abzusichern, sollte es zu einem solchen kommen.
Doch ohne eine amerikanische Unterstützung gehe es nicht, heißt es. „Wir werden in den nächsten Jahren keine Abschreckung durch Truppen in der Ukraine ohne die US-Amerikaner gewährleisten können“, sagte Pistorius. Auch darüber wird in München zu reden sein.
Die heute begonnene Münchner Sicherheitskonferenz läuft noch bis Sonntag. Über 800 Teilnehmende aus 110 Staaten werden zu offiziellen und inoffiziellen Gesprächen im Hotel Bayerischer Hof erwartet.
Autoren: Navid Linnemann, André Luhmer
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