Die Wehrpflicht käme Deutschland zu teuer

Der volkswirtschaftliche Schaden durch eine tatsächliche Wiederaufnahme der Wehrpflicht stehe in keinem Verhältnis zum erwartbaren Nutzen für die Verteidigung, zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesministerium der Finanzen beauftragte Kurzexpertise des Ifo-Instituts. In einem offiziellen Brief, der cpm Defence Network vorliegt, wenden sich der Finanzminister und der Justizminister deshalb an Verteidigungsminister Boris Pistorius.

In einem Brief wenden sich sowohl der Finanzminister als auch der Justizminister an den Verteidigungsminister, um ihn von den Gründen, die ihren Analysen nach gegen eine Wehrpflicht sprechen, zu überzeugen.
In einem Brief wenden sich sowohl der Finanzminister als auch der Justizminister an den Verteidigungsminister, um ihn von den Gründen, die ihren Analysen nach gegen eine Wehrpflicht sprechen, zu überzeugen.
Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Nach allgemeinen lobenden Worten zu den Maßnahmen des BMVg zur Steigerung der Wehrfähigkeit Deutschlands sowie der Feststellung, dass alle Regierungsmitglieder durch das Ziel geeint seien, „die Bundeswehr zu einer der modernsten und schlagkräftigsten Armeen Europas zu machen“, kommen die beiden Minister zum großen Aber: „Dieses Ziel können und werden wir nur mit der entsprechenden gesellschaftlichen Akzeptanz erreichen. Dies schließt die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht bzw. Dienstpflicht nach unserer Auffassung aus.“

Mehrere Punkte sprächen dagegen. Zum einen das heutige Verständnis von Geschlechtergleichheit, während das Grundgesetz weiterhin nur die Wehrpflicht für Männer beinhaltet. Zum zweiten die Kosten.

Gründe gegen eine Wehrpflicht

„Der mit einer neuen allgemeinen Wehr- oder Dienstpflicht verbundene Aufbau von Strukturen wäre ein langwieriger und extrem kostenintensiver Prozess, der absehbar über Jahre zu weniger statt mehr Handlungsfähigkeit führen würde“, betonen der Finanz- und der Justizminister.

„Allein die jährliche Verpflichtung eines Viertels einer Alterskohorte im Rahmen einer Wehr- oder Dienstpflicht, also von ca. 195.000 Personen, würde nach den Berechnungen des Ifo-Instituts zu einem Rückgang des Bruttonationaleinkommens um 17,1 Milliarden Euro führen.“ Und weiter: „Eine vom Bundesministerium der Finanzen beauftragte Kurzexpertise des Ifo-Instituts zu den „Volkswirtschaftlichen Kosten einer Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eines sozialen Pflichtjahres“ kommt zu dem Schluss, dass gegenüber der Wiedereinführung der Wehrpflicht die Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs mit deutlich geringeren individuellen und gesamtwirtschaftlichen Kosten verbunden ist.“

Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr

Laut der Analyse des Ifo-Instituts verspreche eine Verbesserung der Marke Bundeswehr als Arbeitgeber deutlich mehr Erfolg. Der Bundeswehr stünden „zielgenaue Maßnahmen zur Verfügung, um die Attraktivität des Soldatenberufs zu steigern, die ohne eine Verpflichtung auskommen“, so die beiden Minister in ihrem Brief. Diese Möglichkeiten sollten stärker in den Fokus der Diskussion gerückt werden, statt vorrangig über Maßnahmen zu reden, welche für die Betroffenen einen „tiefen Eingriff in ihre Freiheit und persönliche Lebensplanung“ darstellten.

„Mit Blick auf die Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs stimmen wir daher derzeit bereits im Ressortkreis den von Ihrem Hause vorgebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr“ ab. Dies ist ein wichtiger erster Schritt, um die Bundeswehr zu einem noch attraktiveren Arbeitgeber zu machen“, betonten Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Dr. Marco Buschmann.

Zudem regen die beiden Minister an: „Ein weiteres Instrument ist die Stärkung der Rolle der Reserve. Reservistinnen und Reservisten sind das Bindeglied zwischen Bundeswehr und Gesellschaft. Wir müssen Reservistinnen und Reservisten noch stärker in die Strukturen der Bundeswehr einbinden, denn hierbei handelt es sich meist um Spezialisten, Praktiker und Profis, die von der Bundeswehr dringend benötigt werden.“

Ressortübergreifende Arbeitsgruppe

„Vor der Diskussion über neue Dienstpflichten sind wir gefordert, alle Möglichkeiten der Freiwilligkeit vollumfänglich auszuschöpfen. Dies gilt auch mit Blick auf die gesellschaftliche Anerkennung unserer Soldatinnen und Soldaten, die wir kontinuierlich weiter verbessern wollen. Auch dies ist ein wesentlicher Beitrag, um die Attraktivität der Reserve zu erhöhen und so mehr Freiwillige für die Bundeswehr und die Reserve zu gewinnen“, betonen die beiden Minister in ihrem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Lindner und Buschmann setzen besondere Hoffnung auf die durch das Verteidigungsministerium angekündigte ressortübergreifenden Arbeitsgruppe, in welche die beiden Minister „die von uns vorgebrachten Anliegen zur Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufs und zur Stärkung der Reserve weiter einbringen“ werden „und auch in den von Ihnen angekündigten Referentenentwurf einfließen lassen“.

Doch eines stellen beide Minister deutlich heraus, alle Analysen ihrer Häuser sprechen gegen eine Wehrpflicht oder ein Allgemeines Dienstjahr, womit sowohl finanziell als auch juristisch für eine solche Maßnahme kein Rückhalt besteht.

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