Wehrbeauftragte: Deutschland-Tempo für die Bundeswehr

„Es ist eine ganze Menge passiert“, stellte die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Frau Dr. Eva Högl gestern mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Monate fest. Sie habe die Vorstellung ihres Jahresberichts 2022 am 14. März 2023 als Impuls für ein Deutschland-Tempo für die Bundeswehr verstanden. Als „Impuls für alle militärisch und politisch Verantwortlichen, an den Problemen zu arbeiten, Lösungen zu finden und Verbesserungen zu erreichen.“ Ihrer Einschätzung nach sei dies gelungen. Kritik gab es in der anschließenden Beratung des Parlaments dennoch – allerdings weniger am Bericht selbst.

Deutschland-Tempo für die Bundeswehr: Übergabe des Jahresberichts 2022 der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl an die Bundestagspräsidentin
Übergabe des Jahresberichts 2022 der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl an die Bundestagspräsidentin
Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Imo

Der Bericht der Wehrbeauftragten 2022 wurde vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ verfasst. An Letzterer müssen sich die Entwicklungen im Verteidigungsministerium messen lassen. Der Bericht der Wehrbeauftragten ist ein gutes Instrument dafür, das angestrebte Deutschland-Tempo für die Bundeswehr zu messen. „Es ist viel auf den Weg gebracht worden, es hat sich viel verbessert“ stellte die Wehrbeauftragte fest, „aber zur Wahrheit gehört auch: Noch nicht alles ist bei der Truppe angekommen, noch nicht alles ist spürbar, noch nicht alles ist sichtbar.“

Im gestern parlamentarisch besprochenen Jahresbericht 2022 war tatsächlich so gut wie gar nichts sichtbar. Hier hieß es in Bezug auf die im Bericht hervorgehobenen 100 Mrd. Euro Sondervermögen und die rund 50 Mrd. Euro regulären Haushaltsmittel: „Ausgaben aus dem Sondervermögen hat es bis Ende des Berichtsjahres nicht gegeben.“ Positive Ansätze wären im Berichtsjahr jedoch zu erkennen gewesen.

Das Ziel muss sein: eine voll einsatzbereite Bundeswehr.
– Eva Högl, Wehrbeauftragte

Vielmehr nahm der Jahresbericht der Wehrbeauftragten 2022 Engpässe beim Personal, Materialabgaben an die Ukraine und Sexismus in der Truppe in den Blick. Auch schildert die Wehrbeauftragte in ihrem Bericht ihre Eindrücke von ihren Besuchen in der Truppe, bei denen die Unsicherheiten und Sorgen angesichts der „bevorstehenden notwendigen Reformprozesse“ und des „epochalen Umbruchs in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ deutlich wurden.

 Heute – über ein Jahr nach dem Berichtszeitraum – sieht die Lage tatsächlich anders aus. „Jetzt sagt das Ministerium zwei Drittel dieser Gelder [des Sondervermögens, Anmerkung des Autors] seien gebunden, Verträge mit der Industrie verhandelt, Verträge geschlossen“, stellte Frau Dr. Högl in Bezug auf die Entwicklung der letzten Monate fest und weiter: „Ich wünsche mir für unsere das Deutschland-Tempo für die Bundeswehr.“

Kritik aus der Opposition am Thema vorbei

Für den Vergleich mit dem für eine zügigere Planung und Genehmigung des Infrastrukturausbau angedachten „Deutschland-Tempo“ erhielt die Wehrbeauftragte bei Ihrer Rede einen höhnischen Zwischenruf aus dem Saal. Auch der CSU-Abgeordnete Florian Hahn griff in seiner späteren Rede Högls Aussage auf. Das der Jahresbericht 2022 zwar schon im März 2023 vorgestellt, jedoch erst im Januar 2024 abschließend im Parlament besprochen werde, liege wohl am langsamen Verteidigungsministerium.

„Das ist sicherlich nicht das Deutschland-Tempo, so wie wir uns das vorstellen“, sagte der Abgeordnete. Danach ging der Parlamentarier allerdings nur noch am Rande auf den Bericht der Wehrbeauftragten ein. Er konzentrierte sich ausschließlich – wie auch die Abgeordnete Sevim Dağdelen (fraktionslos) vor ihm – auf den zuvor von der Unions-Fraktion eingebrachten Entschließungsantrag, der die Regierung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine veranlassen sollte.

Mitschnitt der Parlamentsberatung zum Jahresbericht der Wehrbeauftragten 2022

Anders die Redner aus den Reihen der Ampel-Fraktionen. Diese beschäftigten sich inhaltlich mit dem Jahresbericht der Wehrbeauftragten. Einzelne Probleme wurden herausgegriffen und eigene Lösungsvorschläge unterbreitet. „Es kann doch nicht sein“, sagte Nils Gründer (FDP) zum Punkt Personalprobleme der Bundeswehr, „dass eine Institution des Grundgesetzes nicht an Schulen kommen darf, um über ihre Arbeit zu berichten.“ Nach Ansicht des Abgeordneten seien Rekrutierungsprobleme nicht „mit der alten Wehrpflichtsdebatte“ zu lösen, sondern durch eine gezieltere Ansprache an junge Menschen, einen verschlankten, digitalen Bewerbungsprozess und ein attraktiveres Berufsbild. Dieses müsse schließlich mit der freien Wirtschaft um Nachwuchs konkurrieren.

Am 12. März wird die Wehrbeauftragte der Bundestagspräsidentin den Jahresbericht 2023 vorlegen und ihn anschließend auch dem Parlament vorstellen. Darin werden die in der gestrigen Rede positiv hervorgehobenen Punkte schriftlich festgehalten sein. Nicht nur das Deutschland-Tempo für die Bundeswehr wird sich darin messen lassen müssen. Spannend wird auch sein, ob sich die politisch festgehaltenen Fortschritte auch in den Besuchen der Wehrbeauftragten bei der Truppe widerspiegeln werden.

Navid Linnemann

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