Grenzen des technisch Machbaren – Die WTD81 prüft militärische Systeme auf Herz und Nieren

Im Interview mit dem cpmFORUM gibt DirWTD Udo Müller, Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle für Informations- technologie und Elektronik (WTD81), Einblicke in die spannende und anspruchsvolle Arbeit, die hinter der Entwicklung und Erprobung militärischer Technologie steht. Von der Informationsüberlegenheit im modernen Gefecht bis hin zur Rolle der WTD81 bei der Unterstützung innovativer Projekte im Bereich der digitalen und elektronischen Kriegsführung – erfahren Sie, wie die Bundeswehr durch technologische Spitzenlösungen und enge Zusammenarbeit mit den Streitkräften ihre Einsatzfähigkeit weiter steigert. Das Interview führte Rainer Krug.

WTD81: Der Schützenpanzer PUMA im Vorgelände der WTD 81 während der Prüfungen und Nachweise, sowie das Portrait von Udo Müller. Foto: Bundeswehr / Köstler
Der Schützenpanzer PUMA im Vorgelände der WTD 81 während der Prüfungen und Nachweise, sowie das Portrait von Udo Müller.
Foto: Bundeswehr / Köstler
Herr Müller, als Direktor einer Wehrtechnischen Dienststelle haben Sie eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe in der Realisierung von Material und Ausrüstung für die Bundeswehr. Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich auf die Arbeit Ihrer Dienststelle verlassen können. Worin liegen die Besonderheiten in der Arbeit gerade Ihrer Dienststelle?

Meine Dienststelle, die Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik (WTD81), ist zuständig für Aufgaben im Rahmen der Informationsgewinnung unter Nutzung von Sensorik sowie der Informationsübertragung und -verarbeitung. Ohne diese Fähigkeiten zur Informationsüberlegenheit gibt es keine Führungsüberlegenheit und schließlich auch keine Wirküberlegenheit. Ein modernes Gefecht ist ohne diese Fähigkeiten nicht erfolgreich zu führen.

Aufgrund der sehr kurzen Innovationszyklen im Bereich der IT nehmen wir wo immer möglich Rückgriff auf Fähigkeiten zur Informationsübertragung des zivilen Bereichs, die dort bereits stark ausgebildet und auch selbstverständlich genutzt werden. Für den militärischen Anwendungsfall muss allerdings immer wieder der militärische Bezug berücksichtigt werden. Damit ist die zivile Technik für die Bundeswehr oft nur ein Startpunkt für Weiterentwicklungen.

Militärische Kommunikation ist nicht stationär, sie muss auch da funktionieren, wo keine Infrastruktur – z.B. Mobilfunkmasten – verfügbar ist. Auch gibt es im militärischen Bereich Systeme zum Aufklären oder Abhören militärischer Kommunikation und auch Störsender. Bedrohungsgerechtes Wehrmaterial berücksichtigt diese besonderen Randbedingungen und kann so auch auf widrige Bedingungen reagieren.

Für uns als technische Prüf- und Nachweisdienststelle besteht die Herausforderung, Wehrmaterial wie z.B. einen Kommunikationsverbund unter realistischen Bedingungen zu testen und ggf. auch zu verbessern. In besonderen Fällen beauftragen wir deshalb auch Forschungsinstitute, um grundsätzliche technische Fragen zu klären. Anschließend überprüfen wir, ob die gefundenen Lösungen tatsächlich funktionieren.

In enger Zusammenarbeit mit dem Nutzer in den Streitkräften entwickeln wir auch technische Gegenmaßnahmen. Auch diese Gegenmaßnahmen können oft nur die gewünschte Wirkung entfalten, wenn reale Einsatzbedingungen berücksichtigt werden. Solche stark technisch geprägten Aufgaben der WTD81 sind zwar ein kleiner, aber wichtiger Beitrag für die Projektrealisierung im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), wo die erarbeiteten Lösungen in die Waffensysteme eingebracht werden.

Zusammengefasst stellen wir sicher, dass auch unter schwierigen operationellen Bedingungen die Technik funktioniert oder doch wenigstens die Grenzen des technisch Machbaren erreicht werden. Unser Anspruch ist es, die ständige Weiterentwicklung der technischen Lösungen durch die kurzen Innovationszyklen in der IT für militärische Systeme verfügbar zu machen. Großes Fachwissen der Wehringenieure ist dafür unverzichtbar. Ja, die Soldaten können sich auf unsere Arbeit verlassen.

Die Aufgaben in der Prüfung und Nachweis von elektronischem Gerät sind ohne Zweifel technisch anspruchsvoll und höchst komplex und damit interessant. Zieht es Sie nicht auch als Direktor und Ingenieur immer noch in die Labore? Können Sie uns einen Einblick in Ihren Arbeitsalltag als Direktor geben?

Sie haben recht. Technische Erprobungen von militärischen Systemen sind sehr interessant, gerade weil der Nachweis der Funktion oft nicht durch Routinemessungen erbracht werden kann.

Blick auf das Gelände der WTD 81 mit den unterschiedlichen Erprobungseinrichtungen, mit sichtbarem Zielsimulationsdom zur multispektralen Ziel- und Szenariensimulation. Fotos: Bundeswehr / Köstler
Blick auf das Gelände der WTD 81 mit den unterschiedlichen Erprobungseinrichtungen, mit sichtbarem Zielsimulationsdom zur multispektralen Ziel- und Szenariensimulation.
Foto: Bundeswehr / Köstler

Stellen Sie sich vor, Sie wollen nachweisen, dass das Selbstschutzsystem eines Luftfahrzeugs einen anfliegenden feindlichen Flugkörper erkennt und gezielt bekämpft. Die hier erforderlichen Schritte sind sehr anspruchsvoll. Sie erfordern intensive Messungen im Labor, um einen Weg zu finden, wie ein solcher Flugkörper erkannt und klassifiziert werden kann. Anschließend muss geprüft werden, ob der Sensor, der ggf. erst entwickelt oder verbessert werden muss, auch im Luftfahrzeug funktioniert. Auch hier sind aufwendige Messaufbauten notwendig, da man ja nicht einfach mit einem Flugkörper auf das eigene Luftfahrzeug schießen kann. Es erfordert sehr viel Wissen und Können, um durch einen

Flugversuch die Funktion und die Wirksamkeit des Warners und der Gegenmaßnahme nachzuweisen. An diesen und ähnlichen Fragestellungen bin ich als Ingenieur immer noch sehr interessiert.

In meinem Arbeitsalltag habe ich allerdings meist administrative Aufgaben, ohne die eine Dienststelle auch nicht funktioniert. Es sind gewöhnlich viele kleinere und größere Dinge zu entscheiden. Unser Personal ist ein besonders hohes Gut. So ist für mich die gezielte Nachbesetzung von Dienstposten mit Fachkräften eine besondere Verantwortung. Ebenso wichtig ist auch die Weiterentwicklung der Dienststelle. Gerade im Aufgabenbereich der WTD81 finden sehr viele Innovationen statt.

Dies alles erfordert langfristiges Denken und Handeln, um notwendige Entscheidungen auch in die Planungsprozesse einzubringen. Hinzu kommt außerdem, dass manche Innovationen zivil sehr stark gefördert werden, aber aus militärischer Sicht, wie bereits angesprochen, jedoch nicht einfach übernommen werden können.

Militärisch sind deutlich höhere Anforderungen an die Sicherheit erforderlich. Gerade die Vernetzung von Systemen und der Datenaustausch verschiedener Sensoren bringen vielfältige Vorteile. Sensordaten sind aber normalerweise eingestuft und können nicht einfach weitergegeben werden. Lösungen, die vorsehen, solche Daten gemeinsam in einer Cloud zu speichern und nur für bestimmte Zwecke zu nutzen, sind sehr anspruchsvoll in der Umsetzung.

Neben diesen technischen Aufgaben, die Experten bearbeiten müssen, sind auch moderne und flexibel konfigurierbare Hardwarelösungen erforderlich. Hierfür benötigen wir eine geeignete Infrastruktur und Energieversorgung. Diese Themen bringe ich als Dienststellenleiter voran, bin dabei aber auf die Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitenden angewiesen.

Mit der „Zeitenwende“ haben sich in Bezug auf militärische Anforderungen wichtige neue Erkenntnisse ergeben. Nutzung von und Härtung gegen Elektronischen Kampf ist ein Beispiel. Haben sich dadurch der Ablauf und die Inhalte der Prüfungen und Untersuchungen auf Ihrer Dienststelle geändert? Wie sind bei Ihnen die Soldaten, d.h. die Nutzer mit ihren Erfahrungen hier eingebunden?

Der Elektronische Kampf (EloKa) ist ein gutes Stichwort, da das elektromagnetische Spektrum eine wichtige Ressource für viele Anwendungsszenarien ist. Dieses zu beherrschen ist ausschlaggebend für erfolgreiche militärische Operationen.

Mit der „Zeitenwende“ hat sich die Bedrohung gewandelt. So wurde bereits vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine viel zur Abwehr von Sprengfallen untersucht und erprobt, klassische elektronische Unterstützungsmaßnahmen und elektronische Gegenmaßnahmen, aber auch der Selbstschutz wurden weiterentwickelt. All diese Maßnahmen haben mit den aktuellen Entwicklungen nochmal massiv an Bedeutung gewonnen.

Blick in die große EMV-Halle während laufender Messungen am Geschützten Führungsfahrzeug DINGO.
Blick in die große EMV-Halle während laufender Messungen am Geschützten Führungsfahrzeug DINGO.
Foto: WTD 81 / Luise Köstler

Viel lernen wir aktuell aus dem Ukraine-Konflikt. So werden elektronische Gegenmaßnahmen auch gegen GPS-Navigation eingesetzt. Die von uns in den letzten Jahren untersuchten Maßnahmen zum Schutz von GPS-Empfängern sind sehr wertvoll.

Handelsübliche Kleindrohnen (sUAS = small Unmanned Aerial System) haben sich als kostengünstige und effiziente Mittel bewährt, um sie zur Aufklärung, aber auch als Waffe einzusetzen. Hier sind geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Neben der Detektion dieser Drohnen spielen dabei auch elektronische Gegenmaßnahmen eine entscheidende Rolle. In den letzten Jahren sind bereits entsprechende Abwehrsysteme beschafft worden, welche auch anteilig bei der WTD81 erprobt wurden.

Für diese Art von Systemen gibt es keine Standardprüfverfahren. Diese mussten erst entwickelt werden. Dabei war es wichtig, neben den rein technischen Merkmalen auch operative Grundsätze mitzubetrachten, da diese oft einen direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit solcher Schutzsysteme haben. Neben unserer technischen Expertise sind dafür das Wissen und die Zusammenarbeit mit den Soldaten notwendig. Die WTD81 ist mit NATO-Partnern in gemeinsamen Arbeitsgruppen und bei gemeinsamen Erprobungen vertreten.

Neben den Erprobungsaufgaben ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit die technische Begleitung von Systemen in der Nutzung. Schutzsysteme müssen hinsichtlich ihrer technischen Parameter kontinuierlich an die aktuelle Bedrohung angepasst werden. Dabei findet eine enge Zusammenarbeit zwischen meinen Mitarbeitenden und den Soldatinnen und Soldaten statt. Eine optimale Wirksamkeit kann nur durch die Abstimmung technischer und operationeller Maßnahmen erreicht werden.

Die Wirksamkeit der Systeme wird laufend weiterentwickelt und verbessert. Durch möglichst realistische Szenarien bei der Überprüfung der Wirksamkeit wird sichergestellt, dass die Gegenmaßnahmen auch im Einsatz wirksam sind. Das kann ohne eine enge Zusammenarbeit mit erfahrenen Soldatinnen und Soldaten nicht gelingen. Auch die Härtung gegen Maßnahmen des Elektronischen Kampfes, die ein potentieller Gegner einsetzen könnte, wird bei uns untersucht. Zu diesen sogenannten elektronischen Schutzmaßnahmen zählen robuste, störsichere Funkübertragungsverfahren, wie sie in modernen Kommunikationssystemen Anwendung finden, und spezielle Hochfrequenzempfänger, welche gezielt Störungen ausblenden können.

Welche herausgehobenen Vorhaben – vielleicht auch mit Blick auf die Ukraine – laufen aktuell bei Ihnen in der Dienststelle?

Die Funktion moderner Systeme wird oft durch Elektronik beeinflusst oder gar bestimmt. In den Geschäftsfeldern der WTD81 wird deshalb die Elektronik und Sensorik vieler Vorhaben untersucht und bewertet.

Die durchgängige Digitalisierung der Bundeswehr ist somit ein großer Aufgabenschwerpunkt an der WTD81. Wir arbeiten an einer Vielzahl von Themen im Bereich Vernetzung, Kommunikationsmittel und Software mit. Ein besonderes prominentes Beispiel ist derzeit D-LBO, die Digitalisierung Landbasierter Operationen, die sowohl moderne Kommunikationsmittel als auch Führungsinformationssysteme umfasst.

Das Funklabor der WTD 81 während der Erprobung des SVFuA (Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkausstattung).
Das Funklabor der WTD 81 während der Erprobung des SVFuA (Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkausstattung).
Foto: WTD 81 / Luise Köstler

Hervorheben möchte ich auch die neuen Aufgaben zur Unterstützung des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) bei der Zulassung von IT-Sicherheitsprodukten, um besonders, unter Berücksichtigung der Anforderungen der Zeitenwende, die Bereitstellung von Material für die Truppe zu beschleunigen. Ein weiteres Beispiel ist der Aufbau von Wissen über Künstliche Intelligenz (KI).

Hier sind wir beauftragt, für den Bereich AIN ein Kompetenzzentrum aufzubauen, um im Verbund mit den anderen Dienststellen des Rüstungsbereichs, Forschungsinstituten, Universitäten und der Industrie die KI-Aktivitäten des Verteidigungsbereiches zu steuern und als Berater bei auftretenden Fragestellungen kompetente Antworten geben zu können. Ferner ist die IT-Sicherheit in militärischen Fahrzeugen ein herausgehobenes Thema, um hier die Chancen bei vernetzten Fahrzeugen nutzen und gleichzeitig Risiken sowie Gefährdungspotentiale minimieren zu können.

Für Ihre Arbeit spielen Prüftechnologien und hierzu erforderliche Ausrüstung sicher eine besondere Rolle. Welche Prüfeinrichtungen gerade Ihrer Dienststelle besitzen ein Alleinstellungsmerkmal für die Bundeswehr? Was tun Sie, um hier kontinuierlich technisch up-to-date zu bleiben?

Prüfsysteme müssen per Definition immer eine Größenordnung genauer und besser sein als die zu untersuchenden Systeme. Daher muss die von uns eingesetzte Technologie mit der fortschreitenden Entwicklung der Waffensysteme Schritt halten. Hierzu existiert in Zusammenarbeit mit dem BAAINBw eine Planung der Investitionen, um unsere Testausstattungen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das jährlich investierte Finanzvolumen schwankt, umfasst durchschnittlich jedoch einen siebenstelligen Betrag.

Neben der Erweiterung unserer Prüftechnologie ist die Instandhaltung und Weiterentwicklung der Infrastruktur zum Betrieb unserer Testausstattung notwendig. Zurzeit wird mit dem Hochspannungslabor eine Planung realisiert, die all das oben Genannte vereint: Sie trägt dazu bei, den aktuellen technologischen Ansprüchen gerecht zu werden, indem ein neues Prüfsystem in eine neu zu errichtende Halle integriert wird.

Als große und komplexe Infrastrukturen existieren an der WTD81 das Zentrum für multispektrale Ziel- und Szenariensimulation, der Zielsimulationsdom, eine große geschirmte Halle für Untersuchungen zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV-Halle) sowie ein Zentrum zur Unterstützung von Interoperabilitätsuntersuchungen.

Mit dem Zielsimulationsdom verfügen wir über eine herausragende, europaweit nicht vergleichbare Prüfeinrichtung. An internationale Standards angelehnt, ist „der Dom“ eine Testeinrichtung für Hardware-in-the-Loop-Simulationen und bietet uns neben einer visuellen Szenario-Projektion eine weltweit einzigartige Möglichkeit zur Darstellung von Zielsignaturen gleichzeitig im optisch sichtbaren und im infraroten Spektralbereich.

So können Sensoren und Einzelkomponenten bis hin zu kompletten Waffensystemen untersucht werden. Für Sensoruntersuchungen können die Bewegungen der Plattform, auf der sie sich befinden, von unterschiedlichen Bewegungssimulatoren übernommen werden, so dass auch dynamische Szenarien realitätsnah simuliert werden können.

Genauso wichtig wie diese großen Infrastrukturen sind kleinere, wenn auch sehr hochwertige und komplexe Test- und Messeinrichtungen. So verfügt die WTD81 über ein Präzisionsradarsystem zur Vermessung der Flugbahnen und Steuerung der Messsysteme, verschiedene Systeme, um Messtechnik auch schnellbeweglichen Zielen nachführen zu können, sowie über aufwändige Messtechnik im Hochfrequenzbereich und für optronische Messaufgaben.

Das Radar Flycatcher - SKYGUARD – ein neues Erprobungsmittel für die WTD 81.
Das Radar Flycatcher - SKYGUARD – ein neues Erprobungsmittel für die WTD 81.
Foto: WTD 81 / Luise Köstler

Von großer und in Zukunft noch deutlich steigender Bedeutung sind unsere einzigartigen Testeinrichtungen für den Kommunikationsbereich. Wir verfügen über unterschied lichste Untersuchungslabore, mit denen wir verschiedene Einzeltechnologien detailliert untersuchen können. Erfahrungen aus Übungen und Einsätzen zeigen regelmäßig, dass eine effektive Vernetzung in einer heterogenen Systemlandschaft, die aus einer Mischung aus zivilen und militärischen Geräten mit unterschiedlichsten technischen und physikalischen Eigenschaften besteht, keine leichte Aufgabe ist.

Durch die Vernetzung der einzelnen Labore an der Dienststelle können wir diese Problematik in einer kontrollierten Umgebung untersuchen und so einen Beitrag zur Interoperabilität und damit Gefechtsfähigkeit leisten. Aktuell arbeiten wir an der Erweiterung unserer Labore. Die Vernetzung vielfältiger Sensoren, die Kommunikation untereinander und mit sicheren Datenspeichern auch unter Berücksichtigung von Künstlicher Intelligenz macht Erprobung komplexer und wird zu einer deutlichen Weiterentwicklung der Fähigkeiten führen.

Der Zielsimulationsdom war bekanntlich in der Öffentlichkeit in der Vergangenheit immer wieder ein Thema. Können Sie uns einen Einblick in die Untersuchungen geben, die man gerade mit dieser Prüfeinrichtung durchführen kann?

Der Zielsimulationsdom (ZSD) ermöglicht eine ganzheitliche Untersuchung der Sensor-to-Shooter-Funktionskette eines Waffensystems. Diese reicht vom Tracker zur Bild- und Datenverarbeitung bis hin zur Bedrohungsanzeige im Waffenführungssystem und ggf. zur Regelung eines Wirkmittels. Der ZSD ermöglicht also die Untersuchung beliebiger Systeme mit einer Bildverarbeitungskette. Das Spektrum reicht von z.B. autonomen, ggf. KI-gestützten Robotern bis hin zu kleinen Satelliten.

Dabei kann man neben dem visuell sichtbaren Szenario auch eine Zieldarstellung im Infrarot-Bereich sowie im UV-Bereich projizieren. Die vom Kunden benötigten Szenare bereiten wir gezielt vor und können sie auf einer großen Projektionsfläche darstellen. Die verwendete Simulationssoftware ist sehr flexibel und kann auch auf während der Erprobung gewonnene Erkenntnisse dynamisch im Betrieb angepasst werden. Dies erlaubt ein schnelles Austesten und Herantasten an die Grenzwerte des Probanden, wie es in der Realität niemals möglich wäre.

Aktuell sind wir auf nicht-urbane Gelände beschränkt. Wir arbeiten aber an einer neuen Software-Implementierung, mit der es zukünftig möglich sein wird, zusätzliche Softwaremodule zu entwickeln, die für die dargestellten Zielobjekte (z.B. Flugzeuge) ergänzende Daten (z.B. Radardaten) passend zur Szene generieren und so den Probanden ergänzend stimulieren können. Die neue Implementierung hat aktuell noch experimentellen Status, wird jedoch intensiv weiterentwickelt und soll es uns zukünftig ermöglichen, mit überschaubarem Aufwand noch besser auf die Kundenanforderungen einzugehen.

Im Fokus der Untersuchungen der nächsten Jahre stehen die Flugabwehrsysteme für den Nah- und Nächstbereichsschutz sowie die Projekte zum Aufbau der mittleren Kräfte.

In den letzten Jahren sind die Wehrtechnischen Dienststellen mehr und mehr in die Forschungs- und Technologieaktivitäten des BMVg eingebunden worden. Wie sieht Ihre Rolle dabei aus und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Erkenntnisse dann auch in die Vorhaben einfließen können?

Die WTD81 bearbeitet einen signifikanten Anteil der Forschungs- und Technologieaktivitäten des BMVg, der in ihre fachliche Zuständigkeit fällt. Das bedeutet konkret die Verantwortung über acht sogenannte Technologie- bzw. Aufgabenfelder – von der Halbleitertechnologie über die Optronik bis hin zur Informationssicherheit. In weiteren Technologiefeldern arbeiten wir mit und stellen z.B. Vorhabenverantwortliche. Auch haben wir durch Institutsbetreuer Einblick in die Grundlagenforschung von vier verteidigungsnahen Forschungsinstituten.

Bei unseren F&T-Aufgaben wird sowohl die fachliche Koordination, also die Weichenstellung für die Zukunft, sowie als Tagesgeschäft die Beauftragung und Begleitung von Einzelvorhaben durchgeführt. Das sind dann in der Regel Studien oder technologische Nachweise in Form von Demonstrator-Aufbauten.

Für diese Aufgaben befinden wir uns in einer einzigartigen Schlüsselposition. Durch die direkte fachliche Einbindung in den wehrtechnischen Beschaffungs- bzw. Rüstungsprozess verfügen wir über einen geballten fachtechnischen Wissensschatz der in Nutzung befindlichen, aber auch der zulaufenden Systeme. Wir sind damit natürlich bestens informiert über deren Verbesserungspotenzial und die mittel sowie langfristig zu schließenden Fähigkeitslücken. Durch die Verantwortung bei vielen F&T-Aufgaben und die Arbeit an wehrtechnischen Aufträgen konvergiert das Know-how bei uns an der Dienststelle und fließt direkt wieder in die Realisierungsprozesse im BAAINBw z.B. durch fachliche Beiträge und Stellungnahmen ein.

Ein gutes Beispiel dafür ist das essenziell wichtige militärische Sekundärradarsystem/IFF „Non Rotating IFF“. Als ausschlaggebendes Problem wurden vor ca. zehn Jahren von Gredinger Fachpersonal die konventionellen, drehenden Sekundärradarantennen auf Schiffen identifiziert. Eine Bewegungskompensation auf See ist nur begrenzt möglich, ein Antennenumlauf kostet wertvolle Zeit und zudem wird die exponierte Stelle des Schiffsmastes immer durch Primärradar und EloKa belegt und steht daher für die Platzierung des IFF-Systems nicht zur Verfügung.

Ausgehend von Ideen zur Verbesserung, konnten in F&T-Studien die Umsetzbarkeit, mögliche technische Designs und die erwartbare Leistungsfähigkeit eines nichtrotierenden zirkularen aktiven Phased Array Antennenkonzeptes gemeinsam mit der Industrie erarbeitet werden.

Über Demonstratoraufbauten in Greding sowie bei Kampagnen an und auf See wurden dann die militärischen bzw. luftfahrtspezifischen Spezifikationen – und damit eine sichere Realisierungsmöglichkeit – nachgewiesen. Das neue System vereint Abfrager, Transponder und die Datenübertragung mit dem Verfahren Link 16.

Das erfreuliche Ergebnis dieses stringenten Vorgehens: Aktuell befindet sich das Systemkonzept als Systemneuentwicklung in der Einrüstung auf den Fregatten F123 und F126. Weitere Schiffe sind in der Auswahl. Und ganz nebenbei: Die Bundeswehr hat damit in Rekordzeit Weltspitze in Leistung und Abdeckung erreicht!

Herr Müller, wir wünschen Ihnen für die Zukunft der WTD81 weiterhin viel Erfolg und danken für das Gespräch.

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