Zwischen Tradition und Innovation – Wie die Energiewende die Streitkräfte verändert

Die Energiewende macht auch vor den Streitkräften nicht halt. Angesichts steigender Anforderungen an Nachhaltigkeit und Klimaschutz steht die Bundeswehr vor großen Herausforderungen. Im Fokus: Die Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch neue Antriebe und Technologien in einem komplexen militärischen Kontext. Eine Fachkonferenz der DWT in Bonn beleuchtete innovative Lösungen, skeptische Stimmen und die Rolle der Industrie bei der Transformation hin zu einer klimafreundlicheren Bundeswehr. Cpm war vor Ort.

Die Fachtagung "Energiewende im militärspezifischen Kontext" fand im Maritim Hotel in Bonn statt.
Die Fachtagung "Energiewende im militärspezifischen Kontext" fand im Maritim Hotel in Bonn statt.
Foto: cpm / Navid Linnemann

Angesichts der Klimakrise hat sich Deutschland dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Auch die Bundeswehr muss ihre Treibhausgasemissionen in allen Bereichen drastisch reduzieren. Im Fokus stehen dabei der Betrieb von Liegenschaften sowie die Mobilität der eigenen Fahrzeugflotte. Bei 1.500 Liegenschaften mit 15.100 beheizten/gekühlten Gebäuden und einer Fahrzeugflotte von schätzungsweise über 70.000 Landfahrzeugen (militärisch und zivil), 600 Flugzeugen und 120 Schiffen wird bei der Bundeswehr viel Energie benötigt, die zur Erreichung der Klimaziele auf fossile Energieträger verzichten muss.

Die Energiewende ist als Thema längst bei den Streitkräften angekommen – wird jedoch sehr unterschiedlich diskutiert, wie die DWT-Fachtagung „Energiewende im militärspezifischen Kontext“ zeigte. Bei der zweitägigen Veranstaltung in Bonn kamen Stimmen aus Wirtschaft und Bundeswehr zu Wort, um sich gemeinsam dem Ziel einer klimaverträglicheren Bundeswehr zu nähern.

Bedenkenträger tragen alte Argumente vor

Doch bevor es in die inhaltliche Diskussion ging, wurde der Rahmen abgesteckt. Zuständig dafür zwei Stimmen aus dem Ministerium. „Wir dürfen durch neue Technologien nicht schlechter werden“, nannte Dr. Daniel Nitsch, Referatsleiter IUD II 5, BMVg und Leiter des Expertenkreises „Mobile Energiesysteme“ eine Grundvoraussetzung der militärischen Energiewende. „Vollständig batteriebetriebene Panzer“ schloss Dr. Nitsch „aufgrund der Reichweite“ in den Überlegungen des Ministeriums daher genauso kategorisch aus wie wasserstoffbetriebene Panzer.

Die Veranstaltung fand unter einer überdimensionalen Hand statt, welche die klimaschädlichen Emissionen niedriger, leider aber nicht ganz ausdrehte.
Die Veranstaltung fand unter einer überdimensionalen Hand statt, welche die klimaschädlichen Emissionen niedriger, leider nicht ganz ausdrehte.
Foto: DWT/SGW

Die Reichweite als scheinbares Totschlagargument ist auch aus der deutschen E-Auto-Debatte bekannt und wird beständig durch neue Entwicklungen widerlegt. Schon nach wenigen Kilometern langwierig laden zu müssen, ist schlicht nicht mehr der Fall. Auch beweisen Hersteller wie Mercedes Benz, dass reine Elektroantriebe selbst für schwere Maschinen funktionieren. Der eActros zieht 40 t immerhin 500 km weit – mit nur einer Batterieladung.

Industrie denkt Energiewende weiter

„Technologieoffenheit“ bei der Energiewende sieht anders aus, auch wenn Dr. Nitsch die militärischen Vorteile des geringen Geräuschpegels und der niedrigeren Wärmesignatur eines Hybridantriebs, wie er derzeit von RENK entwickelt wird, durchaus zu schätzen weiß. Doch die DWT-Tagung ist schließlich Bühne für den Austausch, den die Industrie mit eigenen Konzepten zu nutzen weiß.

„Deswegen nehmen Sie bitte diese Punkte, die ich Ihnen jetzt gleich vorstellen werden, auch als Diskussionsgrundlage“, stellte folgerichtig Prof. Dr. Karsten Pinkwart vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT seiner Keynote voran. Seine Betrachtung der Energiewende im militärspezifischen Kontext fiel realistischer aus.

Zivile technologische Fortschritte müssen und sollten als solches auch in die militärische Welt Einzug halten.
– Dr. Karsten Pinkwart

„Der Aspekt, der uns heute hier intensiv beschäftigt“, fuhr Dr. Pinkwart fort, „ist eben das Thema der Energieversorgung, Einbindung erneuerbarer Energie, mobile Energieerzeugung und – wir wissen von den Erneuerbaren: Die Sonne scheint nicht immer, der Wind weht auch nicht immer – wir brauchen entsprechend Speichertechnologien. Wir brauchen öffentliche und privatwirtschaftliche Partnerschaften. Wir sehen die Entwicklungen erst mal – zumindest bei den erneuerbaren Energien – im zivilen Bereich. Zivile technologische Fortschritte müssen und sollten als solches auch in die militärische Welt Einzug halten.“

Das stationär und mobil einsetzbare Efoy H₂PowerPack von SFC Energy.
Das stationär und mobil einsetzbare Efoy H₂PowerPack von SFC Energy.
Foto: cpm / Navid Linnemann

Es folgten fünf Vortrags- und Diskussionsrunden, in denen aktuelle Entwicklungen, Problemstellungen und Lösungsansätze vorgestellt wurden; unter anderem zu den Themen synthetische Kraftstoffe, Energiespeicher und stationäre Energieversorgung. Dazu 13 Poster die in dazugehörigen Sessions diskutiert werden konnten.

Ein Beispiel: Das sich bereits in der Beschaffung durch die Bundeswehr befindliche System aus Dieselgenerator und Batteriespeicher der Firma Vincorion wurde an einem Poster mit der Idee vorgestellt, eine Wasserstoff-Brennstoffzelle des Unternehmens SFC Energy zu integrieren. So ließe sich der Treibhausgasausstoß noch weiter reduzieren.

„Energie in den Kanister bekommen“

Oberstleutnant Carsten Börner, EBU II 1 im BMVg, sprach zur strategischen Perspektive bei der Umsetzung der Energiewende in der Bundeswehr. Seine Analyse zeigte auf, wo man bereits auf dem richtigen Weg sei (bei den Liegenschaften) und wo noch nicht (bei der Mobilität).

So benötigten im Jahr 2020 nach Angaben von Oberstleutnant Börner die rund 1.500 Liegenschaften ca. 3,64 Millionen MWh Energie (davon rund drei Viertel Wärme, ein Drittel Strom). Nach seinen Berechnungen entspräche dies 372 Millionen Litern Diesel oder 4.000 Fußballfeldern Solaranlagen. Die 600 Millionen Liter Kraftstoff, welche im selben Jahr durch die Bundeswehrfahrzeuge verbraucht wurden, entspräche dann einer Leistung von etwa 5,88 Millionen MWh bzw. 6.500 Fußballfeldern mit Solarpaneelen.

Im Bereich der Wärmeenergie ist laut Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr 2022 die Menge von regenerativen Energieträgern von 50.000 MWh im Jahr 2008 auf 500.000 MWh im Jahr 2021 angestiegen. Zum Einsatz kommen dabei sehr vielfältige Methoden von Holzhackschnitzeln bis zur Fernwärme.

Die rund 1 Millionen bei der Bundeswehr genutzten MWh Strom hätten in den Jahren 2016 bis 2021 zu durchschnittlich 45 Prozent aus Ökostrom bestanden – bis Ende des Jahres 2024 möchte die Bundeswehr hier auf 100 Prozent Ökostrom setzen, um einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Sowohl der Zukauf als auch selbst erzeugter Ökostrom sollen das ermöglichen.

Oberstleutnant Carsten Börner trug zur strategischen Perspektive bei der Umsetzung der Energiewende in der Bundeswehr vor.
Oberstleutnant Carsten Börner trug zur strategischen Perspektive bei der Umsetzung der Energiewende in der Bundeswehr vor.
Foto: cpm / Navid Linnemann

Oberstleutnant Börner attestiert der Energiewende bei der Bundeswehr, zumindest bei den Liegenschaften auf dem richtigen Weg zu sein. Anders sieht es jedoch bei der Mobilität aus. Das macht er an einem anschaulichen Beispiel fest: Seiner Berechnung nach fasst ein 20-l-Kanister Diesel 190 kWh Energie. Dieselbe Energie in Wasserstoff wäre zwar deutlich leichter, würde jedoch für den Transport ein Volumen von 135 Litern benötigen. Für Oberstleutnant Börner ist jedoch klar, dass er die „Energie in den Kanister“ bekommen muss, um sie militärisch sinnvoll einsetzen zu können.

Eine Möglichkeit könnten synthetische Kraftstoffe darstellen. Diese würden laut einer Teilnehmerin jedoch von der Industrie nicht in ausreichender Menge kommen, da sie einerseits zu teuer und andererseits eine wesentlich schlechtere Energiebilanz aufweisen, als würde der zur Herstellung benötigte Strom direkt in einem E-Antrieb genutzt werden. Andere Stimmen kritisierten den Wunsch, Wasserstoff zur Herstellung dieser Kraftstoffe zu nutzen. „Das ergibt noch weniger Sinn“, erklärte ein Teilnehmer. Auch Wasserstoff muss in der Regel hergestellt werden und benötigt dafür (grüne) Energie in hoher Menge.

Energiewende noch längst nicht ausdiskutiert

Auch nach zweitägiger Fachtagung sind viele Fragen offen. Dass auch 2025 eine Wiederholung der DWT-Veranstaltung „Energiewende im militärspezifischen Kontext“ notwendig ist, sind schon jetzt viele Teilnehmer überzeugt. Man darf gespannt sein, wie es mit der Energiewende in den Streitkräften weitergeht und ob die Bundeswehr es schafft, zumindest die Liegenschaften bis Ende des Jahres klimaneutral mit Strom zu versorgen.

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