Die Eurosatory 2024 war in diesem Jahr nicht nur Schauplatz für beeindruckende Hardware und innovative Lösungen, sondern bot auch Raum für wichtige Debatten über die Zukunft der Branche. Ein hochkarätig besetztes Podium widmete sich dem Thema „Green Defence“ und beleuchtete die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigeren Verteidigungsindustrie. Unter der Moderation von Dorothee Frank (cpm Defence Network) diskutierten Experten aus Industrie, Militär und Politik über die dringende Frage, wie Streitkräfte ihre Klimabilanz verbessern können, ohne ihre Einsatzfähigkeit zu beeinträchtigen.
Sascha Brüning, Vice President Business Development and Sales bei Vincorion, einem Anbieter von militärischen Energiesystemen, eröffnete die Diskussion mit einem eindringlichen Appell: „Wir befinden uns inmitten zweier Kriege: Der eine tobt in der Ukraine, der andere ist ein globaler Kampf gegen den Klimawandel. Beide Konflikte stellen uns vor immense Herausforderungen und erfordern entschlossenes Handeln.“
Brüning betonte, dass die Verteidigungsindustrie eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielt. „Wir müssen unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, um unsere strategische Autonomie zu stärken und gleichzeitig unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass nachhaltige Technologien auch unsere militärische Leistungsfähigkeit verbessern können.“
Ein Aktionsplan für die Post-2030-Landschaft
Dr. Constantinos Hadjisavvas, Projektbeauftragter bei der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), unterstrich die Dringlichkeit des Themas. „Die EU und die NATO haben erkannt, dass wir unsere Verteidigungssysteme auf die Post-2030-Landschaft vorbereiten müssen. Wir brauchen einen Aktionsplan, um unsere Streitkräfte fit für diese neue Realität zu machen.“ Die Verteidigungsbranche müsse in eine Zukunft passen, in der im zivilen Bereich zum Beispiel Elektromobilität und erneuerbare Energien die Norm sein werden.
Hadjisavvas skizzierte einen umfassenden Ansatz, der 23 verschiedene Handlungsfelder umfasst – von der Entwicklung emissionsarmer Fahrzeuge und Flugzeuge bis hin zur Nutzung von künstlicher Intelligenz für eine effizientere Logistik. „Es geht nicht nur darum, einzelne Technologien zu verbessern, sondern um einen grundlegenden Wandel unserer Denkweise. Wir müssen Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil unserer Verteidigungsstrategie begreifen.“
Taktische Vorteile und neue Geschäftsmodelle von Green Defence
Dass Nachhaltigkeit und taktische Überlegenheit kein Widerspruch sein müssen, erläuterte Daniel Zeitler, Head of Product Management bei Vincorion, auf dem Podium. „Moderne Energiesysteme sind flexibler, skalierbar und können mit Solarstrom betrieben werden. Dadurch reduzieren wir nicht nur den Kraftstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent, sondern verschaffen den Armeen auch einen entscheidenden Vorteil im Einsatz.“
Zeitler erläuterte, wie moderne Energiesysteme die Logistik entlasten, die Einsatzdauer verlängern und die taktische Flexibilität erhöhen können. „Ein Beispiel sind unsere mobilen Energieversorgungslösungen, die mit Batterien und Solarmodulen ausgestattet sind. Sie ermöglichen es den Truppen, unabhängig von fossilen Brennstoffen zu operieren und ihre Position schnell zu wechseln, ohne auf laute und auffällige Generatoren angewiesen zu sein.“
Langfristige Planung und internationale Zusammenarbeit
Oberst Robert Šipec vom slowenischen Verteidigungsministerium betonte die Notwendigkeit einer langfristigen Planung. „Wir beschaffen Ausrüstung, die jahrzehntelang im Einsatz sein wird. Ersatzteile müssen auch nach 2050 verfügbar sein. Der Klimawandel macht nicht an Grenzen halt, deshalb ist internationale Zusammenarbeit unerlässlich.“
Šipec hob hervor, dass Slowenien bereits konkrete Schritte unternommen hat, um seine Streitkräfte nachhaltiger zu gestalten. „Wir haben ein umfassendes Energiemanagement eingeführt, unsere Gebäude energetisch saniert und setzen verstärkt auf erneuerbare Energien. Wir arbeiten auch eng mit der Industrie und der Wissenschaft zusammen, um neue Technologien zu entwickeln und zu testen.“
Raphael Danino-Perraud vom französischen Verteidigungsministerium ergänzte: „Energieeffizienz ist nicht nur eine Frage der Kosten, sondern auch der strategischen Autonomie. Wir müssen unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, um unsere Handlungsfähigkeit zu sichern.“
Danino-Perraud stellte die französischen Initiativen zur Dekarbonisierung der Streitkräfte vor, darunter die Entwicklung von Hybridfahrzeugen, die Nutzung von Biokraftstoffen und die Erforschung neuer Antriebstechnologien. „Wir sind davon überzeugt, dass eine grüne Verteidigung nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um die Sicherheit Frankreichs und Europas langfristig zu gewährleisten.“
Die Rolle der Industrie und der Politik bei Green Defence
Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass die Transformation zu einer grüneren Verteidigung eine gemeinsame Anstrengung von Industrie, Militär und Politik erfordert. Die Industrie muss innovative Technologien entwickeln und marktfähige Lösungen anbieten. Das Militär muss seine Anforderungen klar definieren und die neuen Technologien in seine Einsatzkonzepte integrieren. Und die Politik muss den Rahmen für diese Transformation schaffen, indem sie entsprechende Förderprogramme auflegt und internationale Kooperationen unterstützt.
Kann eine Armee mit verschiedenen Energiequellen operieren?
Das Podium widmete sich auch kritischen Fragen zu Green Defence, zum Beispiel der Ansicht aus dem Publikum, ob Armeen wirklich mit verschiedenen Energiequellen operieren könnten, ohne ihre Einsatzfähigkeit zu beeinträchtigen? Oder ob nicht viel mehr fossile Energiequellen unerlässlich seien? Die Experten antworteten darauf mit unterschiedlichen Perspektiven:
Oberst Šipec betonte die Bedeutung einer sorgfältigen Planung. „Jede Militäroperation erfordert eine genaue Analyse der verfügbaren Ressourcen und der spezifischen Anforderungen. Wenn wir verschiedene Energiequellen nutzen wollen, müssen wir sicherstellen, dass wir über die notwendige Infrastruktur und Logistik verfügen, um diese effizient einzusetzen.“
Danino-Perraud wies darauf hin, dass die französische Armee bereits Erfahrungen mit dem Einsatz verschiedener Energiequellen gesammelt habe. Zeitler betonte die Rolle der Industrie bei der Entwicklung von interoperablen Systemen. „Wir arbeiten eng mit den Streitkräften zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Energiesysteme mit verschiedenen Energiequellen kompatibel sind. Wir entwickeln beispielsweise intelligente Steuerungen, die den optimalen Mix aus Diesel, Batterien und Solarstrom gewährleisten.“
Sascha Brüning fasste Green Defence so zusammen: „Manche sagen, dass die Nutzung umweltfreundlicher Ausrüstung die Armeen schwächt. Aber ich bin überzeugt, dass es genau umgekehrt ist. Der umweltfreundliche Wandel der Streitkräfte wird zu einem großen Vorteil.“
Aufbruch in eine neue Ära
Die Diskussion auf der Eurosatory hat gezeigt, dass Green Defence mehr ist als ein Trend. Es ist ein Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik, der sowohl ökologische als auch militärische Vorteile verspricht. Die Herausforderungen einer grünen Rüstungspolitik sind groß, aber die Chancen sind noch größer. Die Verteidigungsindustrie steht vor einem Aufbruch in eine neue Ära, in der Nachhaltigkeit und Innovation Hand in Hand gehen.
Die Experten waren sich einig, dass eine grüne Verteidigung nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um die Sicherheit Europas langfristig zu gewährleisten. Der Weg dorthin erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Militär und Politik. Doch die Experten von Streitkräften und Industrie sind sich sicher, dass der Weg sich lohne. Denn eine grüne Verteidigung ist nicht nur eine Investition gegen den Klimawandel, sondern auch in die Zukunft der Sicherheit.
Autorenkollektiv Vincorion
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