LogistikNutzung

PESCO – Permanent Structured Cooperation

Die EU-Verteidigungsinitiative für die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Permanent Structured Cooperation) wurde im Jahr 2017 begründet und umfasst inzwischen 46 Projekte. 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten beteiligen sich an der Initiative – mit dem Ziel, bürokratische Barrieren abzubauen und eine Art „militärisches Schengen“ zu etablieren, um langfristig die Gründung einer Europäischen Armee oder Europäischen Verteidigungsunion vorzubereiten. Ein Blick auf die Entwicklung und heutige Rolle der PESCO inklusive einer Bewertung der Initiative von Rainer Krug, Chefredakteur cpmFORUM.
Der A400M, hier als Symbol für das Network of Logistik Hubs, eines der Projekte, die Deutschland als Koordinator mitträgt.
Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt

Die Projekte der PESCO beruhen auf 20 Verpflichtungen, die den inhaltlichen Kern der PESCO darstellen. Dies kann beispielsweise die Interoperabilität zwischen EU-Mitgliedsstaaten im Sicherheits- und Verteidigungsbereich, eine Synchronisierung der nationalen Streitkräftestrukturen oder die Durchführung gemeinsamer Rüstungsprojekte bedeuten.

Das politisch mit der Initiative verbundene Ziel des Abbaus bürokratischer Barrieren soll zu einer Art „militärischem Schengen“ führen und stellt eine Möglichkeit dar, langfristig die Gründung einer Europäischen Armee vorzubereiten. Dieses Fernziel wird häufig auch „Europäische Verteidigungsunion“ genannt.

Mit den eingegangenen Verpflichtungen haben sich die beteiligten Mitgliedsstaaten rechtlich bindend darauf geeinigt, bei der Planung und Entwicklung von Fähigkeiten enger zu kooperieren. PESCO stellt damit einen bedeutenden Schritt für die europäische Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung dar, da erstmalig verbindliche Absprachen getroffen wurden und Verpflichtungen eingegangen wurden. Sie ist eine der wichtigsten Verteidigungsinitiativen der EU und wurde in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt. 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten beteiligen sich an der Initiative und den Projekten, in denen die Verpflichtungen umgesetzt werden.

Wo kommen wir her?

Bereits im Vertrag von Maastricht wurde die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union begründet. Von Anfang an wurde die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik als integraler Bestandteil der GASP gesehen. Aus verschiedenen Gründen (z.B. Neutralität einiger Mitgliedsstaaten oder ungeklärtes Verhältnis der EU zur NATO) konnte die gemeinsame Verteidigung der Europäischen Union bisher allerdings kaum verwirklicht werden. Für die Durchführung europäischer Militärmissionen (z.B. im Rahmen der Petersberg-Aufgaben) war man bisher immer auf die NATO und somit auch auf die Mithilfe der Vereinigten Staaten angewiesen. Diese Abhängigkeit sollte nun durch die Stärkung der eigenen Fähigkeiten gemindert werden.

PESCO gilt somit als erster Schritt hin zu einer weitgehend gemeinsamen Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Neben gemeinsamen Rüstungsprojekten soll künftig auch der EU-weite Aufbau europäischer Streitkräfte (stehende Einheiten) und entsprechender Fähigkeiten folgen.

Gründe für die Etablierung von PESCO im November 2017 nach langen Jahren der Verhandlungen könnten in der damaligen Politik der Vereinigten Staaten gegenüber der NATO liegen. Damit wäre dieses europäische Bündnis eine Antwort auf die Politik der Abgrenzung der Administration Donald Trumps gewesen. Auch nach dem Wechsel in der US-Administration und den geänderten Sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen durch den russischen Angriff auf die Ukraine erscheint es heute wichtiger denn je, sich auch als Europäer eigenständig aufzustellen, um selbst in der Lage zu sein, mögliche Probleme im Sicherheitsbereich mit benachbarten Regionen zu lösen.

Daneben behält ohne jeden Zweifel das NATO-Bündnis seine überragende Bedeutung für die Sicherheit und den Zusammenhalt in Europa.

Die rechtlichen Grundlagen liegen in Art. 42 und Art. 46 EU-Vertrag sowie im Protokoll Nr. 10 zum EU-Vertrag. Die Teilnahme an der ständigen strukturierten Zusammenarbeit ist freiwillig (abgestufte Integration).

Das European Medical Command ist ein 10-Nationen-Projekt, das durch Deutschland koordiniert auf ein effizientes Management sanitätsdienstlicher Leistungen abzielt.
Foto: Bundeswehr/Patrick Grüterich

Nationale Voraussetzungen für die Teilnahme

Um an der PESCO teilnehmen zu können, müssen Mitgliedstaaten insbesondere zwei Bedingungen erfüllen:

  1. Sie müssen ihre Verteidigungsfähigkeit stetig weiterentwickeln, insbesondere auch durch die Teilnahme an multinationalen und europäischen Ausrüstungsprogrammen;
  2. Sie müssen im Bedarfsfall in der Lage sein, innerhalb von 5 bis 30 Tagen für einen Zeitraum von 30 bis 120 Tagen bewaffnete Kräfte und logistische Unterstützung bereitzustellen.

Diese Voraussetzungen werden von der Europäischen Verteidigungsagentur regelmäßig überprüft.

Verpflichtende Ziele für die Teilnehmerstaaten

Die PESCO verfolgt zahlreiche Maßnahmen zur Integration der gemeinsamen Verteidigungspolitik. Die Teilnehmerstaaten haben sich unter anderem auf folgende verpflichtende Ziele geeinigt, die, wenn man sie im Detail betrachtet, Ähnlichkeiten zum NATO-2%-Ziel aufweisen:

  • Regelmäßige Erhöhung der Verteidigungshaushalte, um die gemeinsamen Ziele erreichen zu können;
  • Mittelfristige Anhebung der Rüstungsausgaben auf 20% des Verteidigungshaushalts;
  • Durchführung gemeinsamer, strategischer Rüstungsprojekte, die durch einen Europäischen Verteidigungsfonds, EVF (englisch EDF), finanziert werden;
  • Erhöhung der Ausgaben für Forschung auf 2 % des Verteidigungshaushalts;
  • Engere Zusammenarbeit im Bereich der Cyberdefence;
  • Bereitstellung von Einsatztruppen und Logistik für die EU Battlegroups und gemeinsame GSVP-Einsätze (insbesondere EUFOR);
  • Verbesserung der Interoperabilität der Streitkräfte, ihrer Strategien und Waffensysteme;
  • Gemeinsame Finanzierung von GSVP-Missionen;
  • Mehr Wettbewerb auf den europäischen Rüstungsmärkten („Rüstungs-Binnenmarkt“).

Geplante Ergebnisse bis 2025

In den Jahren 2017 bis 2019 wurden jedes Jahr neue PESCO-Projekte beschlossen. 2020 hingegen kamen keine neuen Projekte hinzu. Im Rahmen einer strategischen Überprüfung durch den Rat der EU im September 2020 wurden die erzielten Fortschritte von PESCO bewertet und Leitlinien für die nächste Phase (2021–2025) in Bezug auf das übergeordnete Ziel der Initiative, die politischen Ziele, Anreize und Projekte vorgegeben. Vor Ende der nächsten PESCO-Phase sind – so die Festlegungen – insgesamt 26 der bis dahin 46 Projekte zu konkreten Ergebnissen zu führen bzw. sollen die vollständige Einsatzfähigkeit erreichen. Hierzu gehören u.a.:

  • Integriertes gemeinsames europäisches Ausbildungs- und Simulationszentrum (EUROSIM)
  • Integrierte unbemannte Bodensysteme (UGS)
  • Bodengestützte EU-Kurzstreckenraketensysteme ohne Sichtverbindung (BLOS)
  • Verbesserung der Meeresüberwachung (UMS)
  • Europäisches Sanitätskommando (EMC)
  • Militärische Mobilität (MM)
  • Netz von Logistik-Drehkreuzen in Europa und zur Unterstützung von Operationen (NetLogHubs)
  • Teams für die rasche Reaktion auf Cybervorfälle und die gegenseitige Unterstützung im Bereich der Cybersicherheit (CRRT)
Military Mobility dient der Vereinfachung, Standardisierung und Beschleunigung von Verfahren sowie der Modernisierung von (Verkehrs-)Infrastruktur, um Truppen und Material in Europa schneller grenzüberschreitend verlegen zu können.
Foto: Bundeswehr/Bier

Der europäische Verteidigungsfonds (EDF)

Der Europäische Verteidigungsfonds ist darauf ausgerichtet, gemeinsame Investitionsentscheidungen der EU-Mitgliedsstaaten zu fördern. Dies können Rüstungsprojekte oder andere Investitionen sein.

Als dritte Kerninitiative im europäischen Verteidigungskontext wurde neben der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) und dem Koordinierten Jahresbericht zur Verteidigungsplanung (Coordinated Annual Review on Defence, CARD) der Europäische Verteidigungsfonds (European Defence Fund, EDF) begründet.

Anders als bei PESCO und CARD handelt es sich bei dem EDF um ein Industrieförderprogramm in der Zuständigkeit der Europäischen Kommission.

Damit wird erstmalig Geld aus dem EU-Haushalt für gemeinsame europäische Forschung und Entwicklung im Bereich Verteidigung eingeplant und verausgabt. Das dafür erforderliche Regelwerk, die EDF-Verordnung, wurde Ende 2020 noch in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verabschiedet. Die finale Billigung durch das Europäische Parlament erfolgte am 29. April 2021, die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 12. Mai.

Grundsätzliches Ziel des EDF ist es, die europäische Verteidigungsindustrie durch gezielte Kooperation wettbewerbs- und innovationsfähiger zu machen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der benötigten militärischen Fähigkeiten der EU.

Der EDF dient wie erwähnt dazu, auf europäischer Ebene Anreize zu schaffen mittels europäischer strategischer Investitionen der Mitgliedsstaaten in gemeinsame innovative Forschung und Entwicklung militärische Fähigkeiten aufzubauen und die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken. Die Erwartung ist, dass dies wiederum die Handlungsfähigkeit der EU stärkt.

Kritisch ist zu diesem Programm zweifelsohne anzumerken, dass das Hauptziel nicht der Aufbau europäischer militärischer Fähigkeiten ist, sondern der EDF gemäß der Vereinbarung dazu dient, die europäische Verteidigungsindustrie wettbewerbs- und innovationsfähiger zu machen. Ein Ansatz, der in Zeiten wachsender sicherheitspolitischer Spannungen und kriegerischer Auseinandersetzungen in hohem Maße fragwürdig erscheint und insbesondere für die Militärplaner eine besondere Herausforderung darstellt.

Das PESCO-Projekt EUFOR CROC dient der Erarbeitung gemeinsamer strategischer Notfallpläne in Europa.
Foto: Bundeswehr/Jonas Weber

Wie funktioniert der EDF?

Zusammenschlüsse bestehend aus mindestens drei Unternehmen oder Einrichtungen, die aus mindestens drei EU-Mitgliedsstaaten stammen, können Fördermittel aus dem EDF beantragen und empfangen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen hierbei Beachtung finden. Nach einem speziellen Schlüssel können Aktivitäten mit zwischen 20 und 80 Prozent der Gesamtkosten im Rahmen einer Ko-Finanzierung gefördert werden.

Darüber hinaus sind weitere Zuschüsse möglich sowie auch die Förderung bestimmter Maßnahmen, wie etwa Machbarkeitsstudien. Fördermittel an die Industriezusammenschlüsse können nur fließen, wenn die Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Investitionsentscheidung treffen. Für die Projekte müssen die Staaten einerseits ihren Bedarf und ihre Prioritäten festlegen und sich andererseits auf militärische Anforderungen und gemeinsame Spezifikationen einigen.

Der endgültige Umfang des EDF beträgt knapp acht Milliarden Euro und wurde während der Verhandlungen für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU von 2021 bis 2027 festgelegt. Davon entfallen 2,65 Mrd. Euro auf Forschung, 5,3 Mrd. Euro sind für die konkrete Entwicklung von verteidigungsbezogenen Produkten und Technologien vorgesehen.

Grundsätzlich ist bei aller möglichen Kritik festzuhalten: die Entscheidung, erstmals den Bereich Verteidigung aus dem EU-Haushalt zu fördern, ist ein wichtiger Schritt, der zur Weiterentwicklung der EU im Bereich der Verteidigung beiträgt.

Bewertung der Initiativen

Sowohl PESCO als auch EDF sind grundsätzlich zu begrüßen. Beiden Initiativen hängt allerdings auch ein Makel an.

Beide Initiativen tragen zu einer Stärkung des europäischen Gedankens in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei. Sie sind ein wesentlicher Bau- und Meilenstein hin zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und sichtbarer Ausdruck des Willens, als Europa eine besondere Verantwortung für die gemeinsame Sicherheit übernehmen zu wollen und das dafür Notwendige auch zu tun.

Beide Initiativen leiden aber auch daran, dass aufgrund des langwierigen Abstimmungsprozesses, des Zwangs nach gemeinsamen Forderungen und weiterhin bestehender nationaler Eigenheiten und Vorstellungen eine Umsetzung gerade im europäischen Verteidigungsfonds schwierig ist.

Sichtbarer Ausdruck hierfür ist die nur eingeschränkte nationale Beteiligung Deutschlands in dem Programm, da vieles, was an Aktivitäten eingeleitet wurde, deutsche Interessen nicht oder nur am Rande berührt. Der militärische Nutzen mit dem Ziel des Aufbaus nationaler Fähigkeitsbedarfe ist bei vielen Initiativen nicht oder nur am Rande erkennbar. Zudem dauern Abstimmungsprozesse in den Programmen zu lange und werden vielfach zu stark von Interessen sogenannter Anlehnungsnationen bestimmt bzw. dienen vorrangig dem Aufbau industrieller Kapazitäten in diesen Staaten.

Hier ist Nachsteuerungsbedarf klar erkennbar und notwendig – um eine möglichst breite Akzeptanz auch in der Projektarbeit zu erreichen.

Rainer Krug, Chefredakteur cpmFORUM

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