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Militärische Traktoren: Feldeinsatz und Minen pflügen beim Industry Day

In unserem vorherigen Beitrag berichteten wir bereits von einigen Produkten, die beim Industry Day des NATO Military Engineering Center of Excellence (MilEng CoE) in Ingolstadt gezeigt wurden. Nach einem Schützengraben aus Plastik und EOD-Drohnen berichtet unser Autor in diesem zweiten Teil über militärische Traktoren, ABC-Abwehr und Minenräumung.

Militärische Traktoren unter anderem von REBO : John Deere mit GBL
REBO: John Deere mit GBL
Foto: cpm

Ein Schwerpunkt, der in den vergangenen Jahren nicht so präsent war, war das Thema Traktoren für den „Feldeinsatz“. Mit zunehmender Bedeutung der mittleren Kräfte nimmt auch die Nutzung von militärischen Traktoren bei den unterschiedlichsten Waffengattungen innerhalb der NATO-Streitkräfte, Partnern oder auch potenziellen Gegnern zu. Beispiele sind Finnland, Neuseeland, Frankreich, Ukraine oder auch Russland. Daher bildet sich dieser Trend auch auf dem Industry Day des MilEng CoE ab.

Vor Ort wurden militärische Traktoren durch die Anbieter FENDT/PSV, REBO Landmaschinen und Achleitner gezeigt. Die österreichische Firma Achleitner zeigte den gepanzerten Steyr TERRUS, den mit circa 300 PS stärksten Traktor von STEYR. REBO Landmaschinen aus Visbek ist ein zertifizierter Großhändler für John Deere. Hier wurde ein Traktor der Serie 8 mit geschützter Kabine von Rheinmetall präsentiert.

FENDT, Marktführer in Deutschland im Segment der Großtraktoren, stellte seinen FENDT 900 mit einer geschützten Kabine von PSV Project Support Vehicles GmbH und einen ungeschützten FENDT 700 vor. Beide FENDT wurden mit Rückfahreinrichtung gezeigt, welche bereits ab Werk eingerüstet werden können. Der REBO und die FENDT werden bereits bei der Standortverwaltung auf deutschen Truppenübungsplätzen der STEYR auf dem österreichischen Truppenübungsplatz Allentsteig eingesetzt. In Zukunft könnten militärische Traktoren aber mehr und mehr auf dem Gefechtsfeld durch die Truppe genutzt werden.

Eine neue Dimension in Leistung und Flexibilität ermöglicht der Einsatz von militärische Traktoren als Systemträger Erdarbeitsgerät. Der Frontlader ermöglicht den Einsatz als Radlader. Alternativ kann über den Frontkraftheber ein Planier- oder Räumschild genutzt werden. Am Heck kann entweder ein Anbaubagger, ein Anbaukran oder eine Grabenfräse angebracht werden. Der Austausch erfolgt mittels Schnellkupplung mit einem Zeitbedarf von 10 bis 15 Minuten. Mit diesen technischen Möglichkeiten eines Traktors können sowohl einzelne Kampfstände in bedecktem Gelände als auch lange Grabensysteme im offenen Gelände schnell, einfach und kostengünstig angelegt werden. Großtraktoren sind auch mit geschützter Kabine und Schutz der vitalen Fahrzeugkomponenten marktverfügbar, sodass diese auch im Verzögerungsgefecht eingesetzt werden können.

Militärische Traktoren: Steyr Traktor mit geschützter Kabine auf dem Industry Day. (Foto- cpm)
Steyr Traktor mit geschützter Kabine auf dem Industry Day.
Foto: cpm

Die hohe Straßengeschwindigkeit >60 km/h, die ungewöhnlich hohe Geländegängigkeit und der geringe Wendekreis (ca. 11 m Traktor; 20 m LKW 6×6) prädestinieren den Traktor für solche Aufgaben.

Militärische Traktoren mit Heckbagger haben eine Leistungsfähigkeit vergleichbar der Kompaktbagger in der 8-Tonnen-Klasse und können Kampfstände mittels eines Tieflöffels oder einem Erdbohrer schaffen. Mit einer Grabenfräse, unabhängig vom Mobilitätsprinzip (Kette oder Rad) kann abhängig vom Boden ein Grabensystem von 1 Kilometer oder mehr pro Stunde angelegt werden. Ein Bagger würde für einen solchen Graben mindestens 5 Stunden benötigen. Und auch deutlich schneller als ein Pionierpanzer, der auf dem Gefechtsfeld ohnehin Mangelware ist.

Grabenfräsen sind marktverfügbar bis zu einer Frästiefe von 1,8 Metern und einer Fräsbreite von 0,6 Metern. Gemäß der Aussage einzelner Hersteller militärische Traktoren ist die Anpassung der Fräsbreite problemlos möglich.

ABC-Abwehr

Als einzige Unternehmen aus dem Bereich der ABC-Abwehr waren die Firmen ORITEST und INFICON in Ingolstadt vertreten. ORITEST ist Weltmarktführer bei den Kampfstoffspürpapieren. Das CALID-3 Spürpapier ist derzeit das einzige Spürpapier weltweit, welches komplett ohne cancerogene Inhaltsstoffe auskommt, einer der wesentlichen Entscheidungsparameter des Bundesministeriums des Inneren, sich für ORITEST als Lieferanten zu entscheiden. Nutzer werden die Bundespolizei und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sein. In Zusammenarbeit mit dem slowenischen Unternehmen em-tronic entwickelt ORITEST zudem konfigurierbare ABC-Spürfahrzeuge nach Kundenvorgaben.

militärische Traktoren: FENDT 700 Traktor mit Stehr Anbaugrader SUG 35-T. Dabei handelt es sich um ein System mit hoher Arbeitsgeschwindigkeit zur Instandhaltung von z.B. Wegen zur Übergangsstelle. So lassen sich sämtliche Wegebauprofile schnell und einfach herstellen. Im Hintergrund FENDT 900 mit STEHR Grabenfräse.
FENDT 700 Traktor mit Stehr Anbaugrader SUG 35-T. Dabei handelt es sich um ein System mit hoher Arbeitsgeschwindigkeit zur Instandhaltung. So lassen sich sämtliche Wegebauprofile schnell und einfach herstellen. Im Hintergrund FENDT 900 mit STEHR Grabenfräse.
Foto: cpm

INFICON aus der Schweiz ist ein führender Anbieter innovativer Messtechnik und Sensortechnologie für kritische Prozesse. Das HAPSITE ER ist eine tragbare Gaschromatograph/Massenspektrometer-Kombination (GC/MS), mit der bereits nach minimaler Schulung in weniger als 10 Minuten qualitative und quantitative Feldergebnisse in Laborqualität erzielt werden können. Laut Hersteller das einzige seiner Art auf dem Weltmarkt.

Minenräumen, Überschreitfähigkeit und andere Befähigungen

Der österreichische Marktführer liefert für die neuen norwegischen Pionierpanzer auf Basis des CV90 die Manipulatorarme. Diese bieten eine maximale Hubkraft von bis zu 180 kg und eine Reichweite von bis zu 8 m. Der Arm kann mit einer Reihe von Anbauten, darunter einem Rotationsgreifer ausgestattet werden.

Nach den jüngsten Bestellungen der IRB (Improved Ribbon Bridge) durch die Niederlande und der M3 Amphibie durch Schweden fokussiert GDELS sich mit den Brückensystemen ANACONDA und COBRA auf den Bereich der Mittleren Kräfte.

Die COBRA-Brücke gibt es in zwei Varianten, mit 15 m Brückenlänge (MLC 90) oder 9 m Brückenlänge (MLC 120). Diese COBRA-Brücken können von Mittleren Kräften (per Rad-, Kettenfahrzeuge oder auch von Großtraktoren) eigenständig verlegt werden. Wichtig ist die Möglichkeit, die COBRA-Brücke vorwärts, d. h. ohne Wenden des Fahrzeuges an einer Übergangsstelle zu verlegen. Die Brückenkompetenz von GDELS hat seine Kompetenz am Standort Deutschland. Der Bridge Launching Mechanism (BLM) stammt von Pearson Engineering und kann auf unterschiedlichsten Fahrzeugen integriert werden. Je nach Trägerfahrzeug soll die Ablege- oder Aufnahmeprozedur zwischen 2 und 5 Minuten dauern.

Norwegischen Pionierpanzer auf Basis des CV90. (Foto: NOR Heer)
Norwegischen Pionierpanzer auf Basis des CV90.
Foto: Norwegisches Heer

Nicht nur militärische Traktoren, auch Minenräumtechnik wurde in großem Umfang auf dem Industry Day gezeigt. Die FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH hat den Berge-BOXER mit einem Track Width Mine Plough (TWMP; auch Self Protection Mine Plough genannt) der britischen Firma Pearson Engineering vorgestellt. Der sogenannte Selbstschutz-Minenpflug ermöglicht es Kampffahrzeugen, schnell einen Durchgang durch ein vermintes Hindernis zu erzwingen, indem er einen freien Weg für seine eigenen Spuren schafft.

Das TWMP-System bewegt versteckte oder vergrabene Minen und improvisierte Sprengsätze aus den Fahrzeugspuren weg, um so einen sicheren Weg zu schaffen. Die Zinken, die in den Boden eingreifen, sind über zwei spurbreite Schaufeln angeordnet, um die Fahrzeugketten zu schützen. Ausklappbare Schaufelverlängerungen auf beiden Seiten des Systems sorgen dafür, dass Minen weit über die Breite der geräumten Spuren hinausgedrückt werden. Dieser Selbstschutzpflug ist für den Einsatz von Kampfpanzern und anderen Kampffahrzeugen konzipiert. Er ist kompakt verstaubar, wenn er nicht eingesetzt wird, und vermeidet sorgfältig eine Beeinträchtigung der Kanonenausrichtung, wenn er sowohl verstaut als auch eingesetzt wird. Die Pflugscharen werden mit hydraulischen Hubzylindern verstaut und ausgefahren.

Die COBRA-Brücke auf einem BOXER. (Foto: GDELS)
Die COBRA-Brücke auf einem BOXER.
Foto: GDELS

Der Schweizer Hersteller Schiltrac Fahrzeugbau zeigte eine geländegängige Kombination aus Transportfahrzeug und Geräteträger. Am Rande des Industry Day war zu vernehmen, dass die Schweizer Streitkräfte die Beschaffung solcher Fahrzeuge beabsichtigen. Das Fahrzeug nutzt ein Fahrgestell aus Eigenproduktion, bietet 8 Tonnen Nutzlast, eine hohe Zugkraft und ist sehr geländegängig. Auf der Außenfläche war ein Schiltrac mit Gurtbandlaufwerken (GBL) des österreichischen Herstellers Müller ausgestellt.

Die Nutzung von GBL erhöht generell die Mobilität im schweren Gelände und reduziert gleichzeitig den Bodendruck, was wiederum den Einsatz auf weichen Böden, Schlamm und Schnee ermöglicht. Müller konnte sich bereits als Lieferant auch in der Bundeswehr etablieren. Die GBL sind in den auf dem fernbedienbaren Feldladegerät (FLG) CRAYLER von Palfinger im System Schützenpanzer PUMA sowie als Radvariante bei den Luftlandekräften und Spezialkräften genutzt.

André Forkert

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