Gestern verkündeten die Spitzen von SPD, CSU und CDU, man habe sich auf weitere Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt, da massive Investitionen in diesen Bereichen nötig seien. In der vorherigen Legislaturperiode war Wirtschaftsminister Robert Habeck mit demselben als „Deutschlandfond“ bezeichneten Anliegen noch an der Verweigerungshaltung der Union gescheitert.
Pistorius: Erfassung vor Wehrpflicht
Pistorius könne jedoch „aus den Sondierungsgesprächen bestätigen“, dass beide Parteien jetzt den Ernst der Lage erkannt hätten. Im Interview mit den Tagesthemen zeigte er sich gestern Abend allerdings skeptisch, ob eine schnelle Rückkehr zur Wehrpflicht überhaupt möglich sei: „Wir haben gar keine Kasernen in der großen Zahl, die wir bräuchten, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs tatsächlich einziehen zu können.“
Zunächst sei es wichtiger, dass Deutschland erfasse, wer überhaupt für eine Wehrpflicht infrage käme. „Das ist seit über 10 Jahren nicht passiert“, betonte Pistorius und verwies auf seinen Gesetzesentwurf aus dem vergangenen Jahr. Aufgrund der vorzeitigen Neuwahl konnte der nicht mehr verhandelt werden. Ob und wie sein an das „schwedische Modell“ angelehnte Gesetz, Teil der Koalitionsverhandlungen werden könnte, lies der Minister offen.
Pistorius‘ Konzept sah vor, zunächst alle Stammdaten potenzieller Männer über einen Fragebogen zu sammeln und dann je nach Bedarf der Truppe auf Freiwillige zu setzen. Erst wenn der Bedarf höher sei als die Anzahl der Freiwilligen, sollte eine Pflicht greifen. Ähnliches forderte die CDU im Wahlkampf mit einem Modell, welches sie als „Kontigentwehrpflicht“ bezeichnete.
Bundeswehr-Wehrpflicht – Unionspolitiker drängen zur Eile
Heute sind es insbesondere Politiker aus den Reihen der CSU, die zur Eile drängen. Unter anderem der Verteidigungspolitische Sprecher Florian Hahn, der gegenüber BILD die Notwendigkeit betonte, die Wehrpflicht noch in diesem Jahr wiedereinzuführen, um die Verteidigungsbereitschaft Deutschlands zu stärken.
Roderich Kiesewetter von der CDU sagte gegenüber RTL/ntv, die Wehrpflicht wäre „leicht“ wiedereinsetzbar, eine einfache Mehrheit im Bundestag würde dafür ausreichen. Eine Wehrpflicht für die Bundeswehr auf dem Papier reicht jedoch nicht aus, sie müsste mit Material und Personal hinterlegt werden. Wie Pistorius weiß auch Kiesewetter, dass ausreichend Unterkünfte und Ausbilder zur Verfügung stehen müssten, damit es eine Rückkehr zur Wehrpflicht geben könne.
Einigkeit: Mehr Soldaten nötig
Einigkeit scheint unter den angehenden Koalitionären zumindest dahingehend zu bestehen, dass für eine abschreckende Verteidigungsbereitschaft Deutschlands akut mehr Soldaten notwendig sind. CSU-Verteidigungspolitiker Thomas Silberhorn forderte in der Welt eine Truppenstärke von 270.000 Soldatinnen und Soldaten – rund 90.000 mehr als heute.
Diese Zahl dürfte in den vorgelegten Rahmen des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel und des Kieler Instituts für Weltwirtschaft von 300.000 zusätzlichen Soldatinnen und Soldaten in Europa passen. Am Wochenende hatte auch der Reservistenverband der Bundeswehr angemahnt, noch in diesem Jahr gäbe es einen Bedarf von 20.000 neuen Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr.
Möglich ist, dass sich die zurückhaltende Fraktion aus CDU- und SPD in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen wird. Die ambitionierten CSU-Stimmen nach sofortiger Rückkehr der Wehrpflicht könnten auch als Begleitfeuer für den jüngst geäußerten Anspruch auf das Verteidigungsministerium gewertet werden. Wichtig für die Truppe werden jedoch Fragen des Materials und der Infrastruktur – ob am Ende Wehrpflichtige oder ausreichend viele freiwillig Wehrdienstleistende in den Kasernen sitzen, ist für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zunächst zweitrangig.
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