Unsichtbare Bedrohung am Boden: NATO sucht Innovationen

Mit der NATO Innovation Challenge Spring 2025 reagieren die Alliierten auf eine stille, aber hochgefährliche technologische Entwicklung, die sich in den letzten Monaten auf den Frontlinien der Ukraine durchgesetzt hat: FPV-Drohnen, die nicht über Funk, sondern über dünne Lichtwellenleiter (Glasfaserkabel) ferngesteuert werden. Diese Systeme umgehen herkömmliche elektronische Gegenmaßnahmen vollständig und stellen eine neue, operative Herausforderung für moderne Streitkräfte dar – insbesondere im urbanen und waldreichen Gelände sowie entlang befestigter Frontlinien.

Glasfaserdrohnen: Unsichtbare Bedrohung am Boden: NATO sucht Innovationen gegen lichtwellenleitergesteuerte FPV-Drohnen.
Unsichtbare Bedrohung am Boden: NATO sucht Innovationen gegen lichtwellenleitergesteuerte FPV-Drohnen.
Foto: Verteidigungsministerium Ukraine

Der operative Vorteil dieser Drohnen ergibt sich vor allem aus der Art ihrer Steuerung: Das Steuerungssignal wird nicht über Funkfrequenz übermittelt, sondern durch eine ultradünne, bis zu mehreren Kilometer lange Lichtwellenleiter direkt vom Bediener zur Drohne geführt. Diese Leitung ist für gängige Sensorik kaum detektierbar, meist kaum dicker als ein menschliches Haar und schwer zu zerstören. Zugleich erlaubt sie eine präzise Steuerung in Echtzeit, auch durch Gelände mit hoher elektromagnetischer Störung oder in urbanen „Funklöchern“.

Erstmals wurde diese Technologie Ende 2024 durch russische und ukrainische Kräfte systematisch eingesetzt. Seitdem wurden verschiedene Modelle beobachtet – von improvisierten Systemen mit handelsüblichen FPV-Rahmen bis hin zu speziell konstruierten, bodennah operierenden Kamikazedrohnen. Besonders effektiv zeigen sich diese Systeme gegen stationäre Ziele wie Artilleriestellungen, Gefechtsstände und logistische Infrastruktur.

Drohne fliegt mit Lichtwellenleiter.
Drohne fliegt mit Lichtwellenleiter.
Foto: Verteidigungsministerium Ukraine

Neue Herausforderung für die NATO

Diese Entwicklung hat auch bei den NATO-Streitkräften für Unruhe gesorgt. Im aktuellen NATO Capability Development Plan tauchte das Thema bereits im Januar 2025 auf, nun folgt mit der Innovation Challenge eine gezielte Reaktion: Gesucht werden technologische Lösungen zur Detektion und Neutralisation solcher Systeme, unter Berücksichtigung realistischer taktischer Anforderungen.

Gefordert sind:
* Sensoriklösungen mit mindestens 500 Metern Reichweite
* Fähigkeit zum Einsatz bei Tag und Nacht, auch bei schwierigen Wetterbedingungen
* Gewicht unter 100 Kilogramm
* Produktionskosten unter 100.000 US-Dollar pro Einheit

Steuerungseinheit der FV Drohne.
Steuerungseinheit der FV Drohne.
Foto: Verteidigungsministerium Ukraine

Neben militärischen Anforderungen wird auch auf zivile Innovationskraft gesetzt. Der Wettbewerb ist offen für Firmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen und Hochschulteams aus allen NATO-Mitgliedsstaaten sowie der Ukraine. Die besten Einsendungen werden am 5. Juni bekannt gegeben. Die Präsentation und Bewertung der finalen Lösungen findet am 20. Juni 2025 in Tallinn, Estland, statt.

Zwischen asymmetrischer Bedrohung und industrieller Chance

Die NATO betrachtet das Thema nicht nur als kurzfristige Herausforderung, sondern auch als exemplarisch für zukünftige Konfliktszenarien. Insbesondere kleine, schwer detektierbare Waffensysteme mit hohem Schadenpotenzial stellen eine klassische asymmetrische Bedrohung dar. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt zudem, wie schnell sich Innovationen aus der Hobby- und Maker-Szene zu ernsthaften Gefahren auf dem Gefechtsfeld entwickeln können – besonders, wenn sie durch staatliche Rüstungsstrukturen unterstützt werden.

Glasfaserkabel in Drohne.
Glasfaserkabel in Drohne.
Foto: Verteidigungsministerium Ukraine

Gleichzeitig eröffnet die Initiative Chancen für westliche Firmen, sich frühzeitig auf ein neues Teilsegment der elektronischen und physikalischen Drohnenabwehr zu spezialisieren. Bereits heute sind mehrere europäische Unternehmen dabei, Systeme zur optischen oder seismischen Detektion von Bodendrohnen zu entwickeln. Auch KI-gestützte Bildauswertung für typische Bewegungssignaturen oder die Kombination aus Radar- und akustischer Sensorik werden diskutiert.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Dass das Thema hohe Priorität genießt, zeigen sowohl der enge Zeitplan als auch die Wahl des Austragungsortes: Tallinn, Estland – ein Land an der direkten NATO-Ostflanke mit traditionell hoher Affinität für Cyberverteidigung und technologische Innovation.

In Zeiten, in denen billige und schwer zu bekämpfende Systeme immer stärker das taktische Gleichgewicht verschieben, wird technologische Kreativität zu einem entscheidenden militärischen Faktor. Die NATO setzt mit dieser Challenge ein klares Zeichen: Wer das Gefechtsfeld von morgen mitgestalten will, muss heute reagieren.

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