Verträge zu RCH 155 und CAVS noch vor der Wahl

Verteidigungsminister Boris Pistorius soll in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses angekündigt haben, dass er noch vor den Neuwahlen dem Bundestag die Verträge zur Beschaffung der Radhaubitzen RCH 155 sowie des Fuchs-Nachfolgers CAVS zur Genehmigung vorlegen werde, berichtet der Spiegel von der vertraulichen Sitzung. Damit stehen zwei weitere Großprojekte kurz vor dem Vertrag. Mit der Finanzierung aus dem Sondervermögen ließe sich eine Beschaffung trotz möglicher Haushaltsprobleme bzw. Sperren realisieren.

Erster Nutzerstaat der RCH 155 von KNDS wird die Ukraine sein. 54 Systeme sind bestellt.
Erster Nutzerstaat der RCH 155 von KNDS wird die Ukraine sein. 54 Systeme sind bestellt.
Foto: KNDS

Dass die Bundeswehr das Artilleriesystem auf Boxer-Basis RCH 155 erhält, stand bereits seit dem 24. April 2024 fest. An diesem Tag verkündeten Bundeskanzler Olaf Scholz und der britische Premierminister Rishi Sunak bei ihrem Treffen in Berlin, dass die deutschen und britischen Streitkräfte die RCH 155 erhalten werden.

Das Heer hatte in seinem Zielbild im Jahr 2023 einen Bedarf von 168 RCH 155 benannt. Der Spiegel berichtete dann im Juli 2024, dass die erste Tranche von 80 Systemen „gut zwei Milliarden Euro kosten“ solle und aus dem Sondervermögen bezahlt werde. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch geplant, dass die entsprechende Vorlage im 4. Quartal 2024 dem Haushaltsausschuss zur Billigung vorliegt.

Fähigkeiten der RCH 155

Bei der RCH 155 handelt es sich um das weiterentwickelte Geschütz der Panzerhaubitze 2000 (PzH 2000), das als Missionsmodul auf dem Fahrmodul Boxer integriert wurde. Hierdurch besitzt die RCH 155 sogar deutlich mehr Fähigkeiten als die PzH 2000. Während etwa die Reichweite der PzH 2000 mit rund 40 km angegeben wird, kann die RCH 155 über 50 km weit wirken, mit der Präzisionsmunition Vulcano sogar bis zu 70 km. Hinzu kommen besondere Befähigungen, die sich aus der Performance des Boxers ergeben. Nennenswert ist besonders die Fähigkeit, während der Fahrt zu schießen und dabei das Ziel präzise zu treffen.

„Die Synthese aus der bewährten NATO-JBMoU 155 mm/L52-Rohrwaffe und dem unbemannten AGM auf Boxer-Fahrgestell ergibt eine einzigartige artilleristische Wirkfähigkeit bis zu derzeit 54 km Reichweite über 360°Azimut und alle Ladungs- und Elevationsbereiche ohne die Notwendigkeit einer Abstützung“, berichtet der Hersteller KNDS zu den Fähigkeiten der RCH 155. „Weiterentwickelt aus dem ‚Kampf der verbundenen Waffen‘, eröffnet die vollständige Autonomie des Gesamtsystems in Führung, Navigation und Feuerleitung sowie ihre systembedingte Stabilität vollkommen neue Einsatzoptionen (z. B. Schießen auf bewegliche Ziele, Lagerschutz etc.). Aufgrund der netzwerkbasierten Systemarchitektur der RCH 155 kann zukünftig auch ein autonomes Fahren und Wirken (ferngesteuert) implementiert werden. Die eingeführten und zukünftigen NATO-Munitionssorten (JBMoU-kompatibel) können im Feuerleitsystem und der Munitionsmatrix berücksichtigt werden. Diese besonderen Eigenschaften machen die RCH 155 zum zukunftsweisenden Rohrartilleriesystem weltweit.“

Mit der RCH 155 werden sowohl Bundeswehr als auch British Army also ein wirksames, abstandsfähiges und vor allem sehr mobiles Artilleriesystem erhalten, in das zudem Erfahrungen aus dem Kriegsgeschehen der Ukraine einfließen. Gleichzeitig erhalten die Mittleren Kräfte des Deutschen Heeres damit eine Artilleriefähigkeit auf Boxer-Basis, die hierdurch strategisch und logistisch perfekt eingebunden werden kann.

Auch wenn es sich bei der RCH 155 um ein neues Waffensystem handelt, sind die einzelnen Komponenten bereits erprobt und das Gesamtsystem qualifiziert genug, dass insgesamt 36 Systeme an die Ukraine gehen sollen. Die Lieferung an den Erstkunden Ukraine ist bis ins Jahr 2027 geplant, danach könnte die Bundeswehr folgen.

CAVS als Fuchs-Nachfolger

Aktuell besitzt die Bundeswehr über 800 Füchse in verschiedenen Varianten. Bereits 2022 legte sich der damalige Generalinspekteur, General Eberhard Zorn, auf CAVS als Nachfolgefahrzeug des Transportpanzers Fuchs fest. Im Mai 2024 unterzeichnete Deutschland schließlich die Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung für das multinationale Programm Common Armoured Vehicles System (CAVS).

Finnland hat den Lead bei dem Programm, Patria ist der Hauptauftragnehmer. Für die Beschaffung durch die Bundeswehr hat sich ein deutsches Industrieteam formiert, bestehend aus Patria, DSL (Teil der KNDS-Gruppe) und FFG.

Neben Finnland als Lead nehmen aktuell noch Lettland, Schweden und Deutschland an dem CAVS-Programm teil.
Neben Finnland als Lead nehmen aktuell noch Lettland, Schweden und Deutschland an dem CAVS-Programm teil.
Foto: Patria

Die modulare Bauweise des Patria 6×6 ermöglicht eine Vielzahl spezifischer Konfigurationen für unterschiedliche Einsätze. So bietet der designierte Fuchs-Nachfolger in der normalen Konfiguration Schutz nach STANAG Level 2, optional kann ein erweiterter ballistischer und Minenschutz der STANAG-Stufe 4 integriert werden.

Der Transporter bietet Platz für bis zu zehn Soldaten im hinteren Teil des Fahrzeugs plus eine zweiköpfige Besatzung (Fahrer und Kommandant) in der vorderen Kabine.

Das Fahrzeug verfügt über einen mobilitätsoptimierten, durchgehenden Allradantrieb und eine Lenkung über die beiden vorderen Achsen. Eine amphibische Fähigkeit zum Durchqueren von Gewässern und für amphibische Landungen ist als Option erhältlich. Die mögliche Zulast liegt beim Fuchs-Nachfolger bei 8,5 Tonnen, das maximale Gesamtgewicht bei 24 Tonnen, bei einer Reichweite von rund 700 km.

Im August 2024 meldete der Hersteller Patria, dass aktuell Bestellungen für knapp 700 6×6 Fahrzeuge vorlägen und rund 200 CAVS bereits geliefert seien.

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