Das Zusammenwirken von Kampf- und Schützenpanzern auf dem Gefechtsfeld ist gerade durch die aktuellen Kriegshandlungen in der Ukraine wieder in den Fokus militärischer Operationsplaner gerückt worden. Gleichzeitig führen die Erkenntnisse zu einer Renaissance der gepanzerten Kräfte, die in den letzten 20 Jahren aufgrund der Konzentration auf das Internationale Krisenmanagement an Bedeutung verloren haben. Eine hohe Feuerkraft verbunden mit einem hohen Schutzwert und hoher Beweglichkeit sind die Voraussetzung für das Gefecht der verbundenen Waffen. Den besonderen Wert bekommt diese Form der Gefechtsführung durch das Zusammenwirken von unterschiedlichen Fähigkeiten in einem gepanzerten Gefechtsverband. Oberstleutnant Jörg Wenger vom PzBtl 104 und Oberleutnant Rudolph Umer vom PzGrenBtl 122 beleuchten die Thematik in dem folgenden Beitrag.
Die Renaissance der gepanzerten Kräfte
In den Stabilisierungseinsätzen der Bundeswehr der vergangenen rund 20 Jahre spielten Kampf- und Schützenpanzer keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Ihre Fähigkeiten waren nicht gewollt, wurden nicht benötigt und im Fall der Schützenpanzer nur in einer unterstützenden Rolle abgebildet. Lediglich zu Beginn des Einsatzes im Kosovo sah man Kampf- und Schützenpanzer in größerer Anzahl im Verbund. Dort musste man zunächst mit einer konventionellen Streitmacht als möglichem Gegner rechnen. Anschließend verschwanden sie allerdings rasch wieder von der Bildfläche.
Seit 2014, mit Beginn des Konfliktes in der Ostukraine und der Annexion der Krim durch Russland, spätestens jedoch mit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022, wurden schwere gepanzerte Kräfte vom Abstellgleis zunächst zurück ins Gedächtnis sowie im Anschluss auch zurück auf das Schlachtfeld katapultiert: Kampf- und Schützenpanzer spielen seither wieder eine gewichtige Rolle in Gefechten. Dies wurde insbesondere an den Diskussionen und der medialen Aufmerksamkeit rund um die Frage der Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern an die Ukraine durch westliche Staaten deutlich.
Fähigkeiten von Kampf- und Schützenpanzern (KPz und SPz)
Um den sogenannten Einsatzwert, also die Stärken von gepanzerten Kräften, in einer konkreten Gefechtssituation abschätzen zu können, werfen wir zunächst einen Blick auf die Fahrzeugfamilie an sich:
Kampfpanzer zeichnen sich im Allgemeinen durch eine hohe Feuerkraft, einen hohen Schutzwert und eine hohe Beweglichkeit aus. Die Wirkung resultiert derzeit im Wesentlichen aus einer leistungsstarken Bordkanone (BK), aus welcher verschiedene Munitionssorten gegen gepanzerte, ungepanzerte und Flächenziele aus mehreren Kilometern Entfernung aus dem Stand und aus der Bewegung mit hoher Treffgenauigkeit verschossen werden können. In der NATO ist das Kaliber 120mm verbreitet. Rohrverschießbare Lenkflugkörper, wie bei russischen Modellen üblich, kommen hierbei nicht zum Einsatz. Verbreitet ist überdies die Ausrüstung mit Sekundärbewaffnung (bspw. Maschinengewehre oder Granatmaschinenwaffen) gegen ungepanzerte, leicht gepanzerte Ziele oder Flugziele. Der Schutzwert wird in der Regel durch die passive Panzerung der Fahrzeuge bestimmt, deren Zusammensetzung der Geheimhaltung unterliegt. Auch bei westlichen
NATO-Mustern ging man zwischenzeitlich dazu über, neben der passiven Panzerung verschiedene aktive Schutzsysteme zu integrieren, um die Überlebensfähigkeit der Plattformen – insbesondere gegen Flugkörper – zu erhöhen. Die (taktische) Beweglichkeit definiert sich über die hohe Antriebsleistung, die Möglichkeiten, im freien Gelände zu operieren sowie Geländeabschnitte unter Schutz zu überwinden und selbst „auf Kette“ über größere Entfernungen zu verlegen. Wie alle Gefechtsfahrzeuge sollen sie zudem einfach zu versorgen und zu warten sein und eine adäquate Führungsfähigkeit besitzen. Die genannten Attribute müssen in der Entwicklung, Weiterentwicklung und der Konstruktion eines Kampfpanzers immer wieder neu ausbalanciert werden. In der Summe bietet der Kampfpanzer eine hohe Durchsetzungsfähigkeit gegen Gegner am Boden, im Duell sowie eine hohe Stoßkraft und ein großes Maß an Flexibilität.
Das Fähigkeitsprofil des Kampfpanzers wird durch den Schützenpanzer komplementiert. Zwar besitzt er im direkten Vergleich i.d.R. einen geringeren Panzerschutz und eine geringere Waffenwirkung, kann jedoch mit der Fähigkeit zum auf- und abgesessenen Kampf aufwarten. So steht beim modernen deutschen Schützenpanzer PUMA neben einer leistungsfähigen 30mm-Bordmaschinenkanone auch eine Lenkflugkörperkomponente zur Bekämpfung des Feindes zur Verfügung. Mit dieser ist es möglich, auf mittlere und auf längere Distanzen aus einer gedeckten Stellung heraus feindliche gepanzerte Fahrzeuge gezielt zu bekämpfen und zu vernichten. Diese Fähigkeiten werden durch sechs Soldatinnen und Soldaten des Schützentrupps vervollständigt, welche im hinteren Kampfraum des Fahrzeugs direkt zum Einsatzort verbracht werden können.
Zusätzlich zum aufgesessenen Kampf ist Wesensmerkmal der Panzergrenadiere, den abgesessenen, infanteristischen Kampf anzuführen. Sobald der Zielort aufgesessen erreicht wurde, sitzt der Schützentrupp ab, wirkt in enger Zusammenarbeit mit dem Schützenpanzer in für Fahrzeuge schwergängigem bzw. unübersichtlichem Gelände und/oder nimmt wichtiges Gelände. Die Panzergrenadiere stellen mit dem SPz und dem Schützentrupp einen vitalen Bestandteil des Gefechts der verbundenen Waffen dar. Ergänzt werden diese Fähigkeiten in den zukünftigen Konstruktionsständen des SPz PUMA durch eine Eignung zur Bekämpfung von Flugzielen. Dies kann durch den Einsatz der 30mm-Maschinenkanone mit der Air Burst Munition sowie den stabilisierten Optiken/Optroniken bestens sichergestellt werden. Hiermit kann der SPz PUMA seinen Beitrag, innerhalb der Panzergrenadiertruppe, zur Fliegerabwehr aller Truppen und somit zur Abwehr der steigenden Offensivfähigkeiten der Luftkriegsmittel leisten.
Der gepanzerte Gefechtsverband als Träger des „Gefechts der verbundenen Waffen“
KPz und SPz werden im Gefecht nicht als einzelne Fahrzeuge auf dem Gefechtsfeld eingesetzt, da dabei ihre Schwächen deutlich zu Tage treten. Gepanzerte Kräfte bilden in der Regel einen Verbund, wobei sie im Zusammenwirken mit anderen Waffengattungen den höchsten Effekt bzw. Einsatzwert erzielen, indem sie flexibel und schlagkräftig über mehrere Kil meter Breite verteidigen oder angreifen können. Hierbei spricht man vom „Gefecht der verbundenen Waffen“. Je nach Größe des Gefechtsverbandes (GefVbd) setzt er sich aus etwa 40-60 Gefechtsfahrzeugen zusammen (meist im Verhältnis 1:1 oder 1:2 zwischen KPz/SPz). Den Nukleus und die Spitze bilden dabei die Kampf- und Schützenpanzer, die in Kompanien – taktisch „Manöverelemente“ genannt – zusammengefasst werden. Sie sind es, die dem Gegner im direkten Kampf auf- und abgesessen begegnen und das direkte Feuer zur Wirkung bringen.
Die Zusammenarbeit dieser beiden „Schwester-Waffengattungen“ vervollständigt das Fähigkeitsprofil und ermöglicht es dem gepanzerten Gefechtsverband, eine Reaktions- und Durchsetzungsfähigkeit in einer Vielzahl von verschiedenen Lagen zu entwickeln. Diese Zusammenarbeit greift bereits sehr tief im Kompaniegefüge: In der Regel ist ein Kampfpanzerzug/ Schützenpanzerzug (vier Kampf- bzw. Schützenpanzer) innerhalb einer Panzer- bzw. Panzergrenadierkompanie eingesetzt und dort als eine eigene Teileinheit, der sogenannten Feuer- und Bewegungseinheit verankert. Dies zeigt sich ebenso in der aneinander angelehnten Vorschriftenlage, aus welcher die Panzertruppenkompanien ihre Einsatzgrundsätze beziehen. Im „Gefecht der verbundenen Waffen“ ist die Kampfunterstützung zwingend notwendig:
Sie verstärkt den Einsatzwert der gepanzerten Kräfte wesentlich; ohne sie ist ein Bestehen im Gefecht nur schwer möglich. Klassischerweise umfasst diese Kategorie Artillerie bzw. Steilfeuerunterstützung, Pioniere, Aufklärer und ggf. weitere Kräfte wie z.B. Kampfhubschrauber. Bei der Bewertung dieser Kräfte wird in der Regel nicht die rein quantitative Anzahl als Kriterium herangezogen, sondern die Fähigkeiten, die ins Gefecht eingebracht werden. Als dritte Kategorie tragen Unterstützungskräfte zum Erfolg des Gefechtsverbands bei. Dabei wird zwischen Einsatzunterstützung – also logistischen Kräften – und Anteilen, die zur Führungsunterstützung beitragen, unterschieden. Letzteres schließt bspw. die Gefechtsstände aber auch die Führungssysteme des GefVbd mit ein. Auch die Unterstützungskräfte werden i.d.R. nicht rein quantitativ bewertet, sondern stets hinsichtlich ihrer Fähigkeiten. Nur im Verbund zwischen KPz und SPz, unter Abstützung auf weitere Fähigkeiten, ist der Erfolg gepanzerter Kräfte auf dem Gefechtsfeld möglich.
Klar ist jedoch auch: die Kampf- und Schützenpanzer stellen das Rückgrat des Gefechtsverbands dar. Ohne sie (bspw. durch eine hohe Ausfallrate) ist eine Weiterführung des Gefechts undenkbar. Die Führung eines solchen Verbandes erfordert vom Kommandeur (der stets ein Panzer- oder Panzergrenadierstabsoffizier ist) und im unterstellten Bereich ein hohes Maß an Professionalität, Können und Erfahrung.
Gemeinsame Ausbildung und Übung als Schlüsselfaktor
Aus der letzten Feststellung lässt sich ableiten, dass nur eine gemeinsame Ausbildung und das Üben aller eingesetzten Kräfte zum Erfolg führen. Die Bataillone des Deutschen Heeres sind in ihrer Grundstruktur in den jeweiligen Standorten innerhalb ihrer Truppengattung homogen gegliedert (Panzerbataillone, Panzergrenadierbataillone). Das heißt, dass im Grundbetrieb kein Verbund abgebildet ist. Dies erleichtert die Führung, Administration und den logistischen Betrieb im Friedensdienst. Weiterhin kann jeder Kommandeur bis zu einer gewissen Ausbildungsstufe im Rahmen seiner Truppengattung ausbilden und üben. Ab der Ebene Großverband (Brigade) ist eine Gliederung abgebildet, die das Gefecht der verbundenen Waffen ermöglicht. So können bei Operationen verbundener Kräfte, Kräfte zwischen den Bataillonen verschoben und zugeteilt werden, um Gefechtsverbände zu bilden – es wird eine Truppeneinteilung eingenommen. Ab der Ebene Panzer- oder Panzergrenadierzug treten die genannten Unterstützer hinzu.
Das gemeinsame Ausbilden und Üben findet im Regelfall bei wiederkehrenden Aufenthalten auf Truppenübungsplätzen statt. Den Höhepunkt bilden Durchgänge in zentralen Ausbildungseinrichtungen des Heeres, bei denen Kompanien oder gar ganze Bataillone als Gefechtsverbände mit den dargestellten Kräfteverbünden im „Gefecht der verbundenen Waffen“ beübt und ggf. für Einsätze oder einsatzgleiche Verpflichtungen zertifiziert werden. Die Vorbereitung und Durchführung solcher Übungsdurchgänge nehmen bis zu einem halben Jahr – und darüber hinaus – in Anspruch.
Das verdeutlicht das hohe Maß an erforderlichem Können und Leistungsfähigkeit, welche durch die eingesetzten Soldaten mitgebracht werden müssen, um solch einen Gefechtsverband ins „Rollen“ zu bringen. Das Ergebnis dieses Zusammenwirkens sind jedoch gepanzerte Kräfte, die in der Lage sind, auf dem heutigen Gefechtsfeld unter unterschiedlichsten Bedingungen und mit wechselnden Aufträgen zu bestehen.
Fazit
Das „Gefecht der verbundenen Waffen“ erfordert ein hohes Maß an Zusammenwirken der verschiedenen Truppengattungen. Träger des Gefechts sind dabei die GefVbd, die im Kern durch KPz und SPz gebildet werden. Das Ausbilden und Üben in diesem Rahmen ist zeitintensiv, zeigt jedoch bei unzähligen Gelegenheiten – wie auch auf dem Gefechtsfeld – wie diese Art des Zusammenwirkens letztlich zum Erfolg führt. Inwieweit in Zukunft neue technologische Entwicklungen oder andere Ausprägungen von militärischen Konflikten zu einer Anpassung des „Gefechts der verbundenen Waffen“ und damit einhergehend auch zur Neubewertung von KPz und SPz führen, oder ob damit gar eine gänzlich andere Art der landbasierten Kriegführung Einzug halten wird, welche die Rolle gepanzerter Plattformen neu definiert oder gar zum Verschwinden bringt, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden.
Das derzeitige Konfliktbild für die NATO (und damit auch für deutsche Landstreitkräfte) ist geprägt durch den Krieg in der Ukraine und damit von der Landes- und Bündnisverteidigung. Dort zeigt sich, welchen Wert das „Gefecht der verbundenen Waffen“ gegenwärtig hat bzw. die Folge und welche Verluste in Kauf genommen werden müssen, wenn das Zusammenwirken der eingesetzten Kräfte nicht funktioniert.
Autoren: Oberstleutnant Jörg Wenger, Panzerbataillon 104 Oberleutnant Rudolph Umer, Panzergrenadierbataillon 122