„Planungssicherheit für die Industrie“ – Pistorius beim NATO-Gipfel

„Russland hat längst auf Kriegswirtschaft umgestellt und die Rüstungsausgaben massiv in die Höhe getrieben“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius vor Beginn des NATO-Gipfels in Washington, „und wir müssen daraus die richtigen Konsequenzen, die richtigen Schlüsse ziehen.“ Damit legte der Minister den Finger in die Wunde. Beim dreitägigen NATO-Jubiläumsgipfel wird es nicht nur um das 75-jährige Bestehen und die beiden Neumitglieder Schweden und Finnland gehen, sondern vor allem um mehr Geld für Rüstung und Planungssicherheit für die Industrie. Auch die US-amerikanische stellvertretende Verteidigungsministerin blies in dieses Horn.

Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert auf dem NATO-Gipfel in Washington mehr Planungssicherheit für die Rüstungsindustrie.
Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert auf dem NATO-Gipfel in Washington mehr Planungssicherheit für die Rüstungsindustrie.
Foto: NATO; Bundeswehr / Sebastian Wilke

Es gehe „nicht um Alarmismus, nicht um Angstmacherei“ erklärte Minister Pistorius, sondern darum, an die Beschlüsse von Madrid und von Vilnius anzuknüpfen, bei denen die NATO einen strategischen und operativen Rahmen vorgegeben hat, in denen mehr Geld für Rüstungsausgaben und Planungssicherheit für die Industrie elementarer Bestandteil für eine wirkungsvolle Abschreckung sei.

Vier Punkte für den NATO-Gipfel

Pistorius nannte vier wesentliche Punkte, die seiner Ansicht nach auf dem NATO-Gipfel in Washington behandelt werden sollen.

  1. Die in Vilnius beschlossenen Regionalpläne zur Verteidigung des Bündnisses ausführbar machen, also mit konkreten Fähigkeiten hinterlegen
  2. Aufstellung einer modernen Kommando- und Führungsstruktur
  3. Aufbau von und Planungssicherheit für die Industrie, welche die NATO-Streitkräfte nachhaltig und resilient versorgen kann
  4. Ukraine-Hilfen durch die NATO – insbesondere aber europäische Staaten – sicherstellen

Deutschland gehe hierbei mit gutem Beispiel voran und habe längst angefangen, die genannten Punkte auch umzusetzen. „Mit unseren Streitkräften gehen wir innerhalb der NATO praktisch all in“, sagte Pistorius. „Wir stellen 35.000 Soldatinnen und Soldaten in den beiden höchsten Bereitschaftsstufen und alle verfügbaren Waffensysteme zur Verfügung.“

Auch gestiegene Verteidigungsausgaben und das Hauptquartier für die NATO-Ukraine-Hilfe in Wiesbaden seien deutliche Zeichen für Deutschlands Engagement, sagte der Minister. „Wir tun das außerdem mit der kollektiven Beschaffung“, ergänzte Pistorius, „ein Thema, was gerade heute eine besondere Rolle spielt. Ich habe schon einige Letter auf Intents heute Morgen unterschreiben dürfen.“ Gemeint war unter anderem die gemeinsame Beschaffung von Seeminen von Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee.

Der Minister wehrte sich beim NATO-Gipfel allerdings auch gegen Kritik aus Deutschland, nach der sein Ministerium Geld weit in die Zukunft hinein ausgäbe, während andere Ressorts Sparzwängen unterlägen. Doch das im Falle der Bundeswehr schon immer üblich, „weil Sie in diesem Ressort nicht von Jahr zu Jahr einkaufen und bestellen können, sondern immer über mehrere Jahre oder sogar eine Dekade planen und Verträge unterschreiben müssen.“

NATO-Gipfel: Planungssicherheit für die Industrie

„Wir Europäer übernehmen Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung in Europa“, resümierte Pistorius beim NATO-Gipfel und unterstrich dabei die Bedeutung der Rüstungsindustrie. Denn es ginge bei einer wirksamen Verteidigung eben auch darum, „dass wir langfristig in die Entwicklung und Produktion von Waffensystemen investieren. Wir brauchen Planungssicherheit für die Industrie, wir brauchen eine Erhöhung der Produktionskapazitäten und wir müssen das alles gut abgestimmt miteinander machen.“

Transatlantische Industrie elementarer NATO-Bestandteil

Am Vorabend des NATO-Gipfels schaut nicht nur der deutsche Verteidigungsminister auf die Planungssicherheit für die Industrie. Auch Kathleen H. Hicks, stellvertretende Verteidigungsministerin der USA, widmete sich gestern in Washington der Rüstungsindustrie: „Allen, die für die Streitkräfte der NATO Dinge herstellen oder Dienstleistungen für sie erbringen – von den Hauptauftragnehmern bis zu den Zehntausenden von Zulieferern in allen NATO-Ländern – danke ich dafür, dass sie alles liefern, was wir zur Verteidigung des Bündnisses brauchen: die Schiffe und U-Boote, die Tarnkappenflugzeuge und Kleinwaffen, die Panzer, Truppentransporter, Raketen, Mörser und vieles mehr.“

In ihrer Rede auf dem Forum der Verteidigungsindustrie beim NATO-Gipfel zog Hicks einen historischen Bogen anhand der fruchtbaren Zusammenarbeit von Unternehmen beiderseits des Atlantiks. Von Landungsbooten beim D-Day, der Produktion des F-104G Starfighter bis zu den STANAGs der NATO.

Hicks machte deutlich, dass die Stärke der NATO gegenüber Bedrohungen aus Moskau, Teheran, Pjöngjang oder Peking nicht nur darin bestünde, „gemeinsam zu trainieren, gemeinsam zu planen, gemeinsam zu üben und gemeinsam zu operieren“, sondern auch in einer gemeinsamen Beschaffungspolitik, welche für eine Planungssicherheit für die Industrie sorge.

„Und natürlich kaufen wir gemeinsam und voneinander Fähigkeiten“, bekräftigte die stellvertretende US-Verteidigungsministerin. „Nicht weil wir keine andere Wahl haben, sondern weil unsere Interoperabilität und die Stärke unserer kollektiven industriellen Basis ein Kraftmultiplikator ist. Sie machen uns eindrucksvoller als jeden Gegner, dem wir begegnen könnten. Davon können unsere Gegenspieler nur träumen.“

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