Die Wiedereinführung der Wehrpflicht kommt in Zyklen immer wieder in die sicherheitspolitische Diskussion. Nun wurden diese meist nebulösen Gedankenspiele allerdings durch Verteidigungsminister Boris Pistorius mit einem konkreten Zeitplan hinterlegt. Bis April prüft das Ministerium demnach die verschiedenen Wehrpflicht-Modelle auf ihre Umsetzbarkeit.
Drei Probleme hatten seinerzeit zur Aussetzung der Wehrpflicht unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geführt: Die Reduzierung der Bundeswehr auf spezialisierte Kleinverbände im Rahmen der Ausrichtung auf den Einsatz. Die Kosten zum Erhalt einer nicht mehr notwendig erscheinenden Personalstärke. Die nicht mehr gegebene Wehrgerechtigkeit beim Einziehen der Wehrpflichtigen. Als scheinbar einzige Gründe, die für eine Beibehaltung der Wehrpflicht standen, kamen die Integration in die Gesellschaft und die Personalgewinnung nicht gegen das finanzielle Sparpotential an. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft.
Die sicherheitspolitische Lage ist heute eine andere, die Notwendigkeiten zur Verteidigung ebenfalls. Wehrpflichtige und Soldaten auf Zeit könnten wieder einen substanziellen Beitrag zur Verteidigung Deutschlands leisten, die Integration in die Gesellschaft wird zudem immer wichtiger, um die Themen und Finanzierungen zu tragen. Doch das früher praktizierte deutsche Modell entspricht kaum noch der gelebten Rechtslage, in der beispielsweise die Gleichstellung von Mann und Frau deutlich vorangeschritten ist. Andere Nationen haben wiederum Modelle, die auch für Deutschland infrage kämen.
„Wir prüfen jetzt bis April verschiedene Modelle hinsichtlich ihrer rechtlichen, politischen und militärischen Umsetzbarkeit“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius im Interview mit dem Tagesspiegel. „Ob wir eine Wehrpflicht einführen wollen oder nicht, müssen wir diskutieren. Schweden und andere Länder haben aus guten Gründen ihre Wehrpflicht schon reaktiviert.“
Deutschland brauche eine ausreichende Anzahl an jungen, kampfbereiten Soldatinnen und Soldaten. Pistorius sagte: „Es gibt zwei Gründe, warum wir ergebnisoffen prüfen: Wir werden erstens die notwendige Personalstärke der Bundeswehr zur Verteidigung des Landes im Ernstfall nicht allein mit Berufs- und Zeitsoldaten erreichen. Wir sehen gerade in der Ukraine zum Beispiel, welche große Rolle eine Reserve spielt. Zweitens brauchen wir dringend wieder eine stärkere Verbindung zwischen den Streitkräften und der Gesellschaft. Dazu könnte eine Wehrpflicht beitragen. Wir müssen erklären, was die Truppe tut: Die Bundeswehr verteidigt im Ernstfall unsere Freiheit.“
Eine einsatzbereite und starke Bundeswehr sei nicht nur für den Kriegsfall wichtig, sondern vor allem zur Verhinderung des Krieges. So hätten die sozialdemokratischen Kanzler der Vergangenheit gewusst, „dass es auch darauf ankommt, abzuschrecken, wenn man Kriege verhindern will“, betonte Pistorius. „Abschreckung ist der Schlüssel für dauerhaften Frieden.“
Hierfür braucht es Soldatinnen und Soldaten, die sich aktuell nicht in ausreichender Zahl durch klassische Personalwerbung gewinnen lassen. Welche Form der Wehrpflicht es werden könnte – und ob der Bundestag überhaupt zustimmt – wird sich dann im April zeigen, wenn die Ergebnisse aus dem BMVg vorliegen. Doch danach gilt es erstmal, die notwendige Infrastruktur wieder aufzubauen – auch dies kein Vorhaben von Wochen, da viele Liegenschaften abgegeben wurden. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht bedeutet schließlich viel mehr, als „nur“ eine Gesetzesänderung.
Dorothee Frank
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