„Wir müssen anders denken“ – Infrastruktur, Logistik & gesamtgesellschaftliche Verteidigung

Wie kann die Industrie zur gesamtgesellschaftlichen Verteidigung beitragen? Warum ist ein Umdenken bei Infrastrukturprojekten notwendig und ein „Military Schengen“ essenziell? Über diese Fragen sprachen nicht nur die Teilnehmenden des 17. Anwenderforums Logistik – der LOG.NET 2025 – sondern auch Brigadegeneral Ralf Lungershausen im Interview mit CPM. Der Stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr sprach auch über die Aufgabe von Kommunen und die Frage, warum bei der Infrastruktur alte Konzepte wie Wallmeistertrupps wieder relevant werden könnten. Das Interview führte Navid Linnemann.

Infrastruktur: Brigadegeneral Ralf Lungershausen, Stellvertretende Kommandeur Logistikkommando der Bundeswehr sprach mit CPM über den neuen Umgang mit Infrastruktur.
Brigadegeneral Ralf Lungershausen, Stellvertretende Kommandeur Logistikkommando der Bundeswehr sprach mit CPM über den neuen Umgang mit Infrastruktur.
Foto: CPM / Sascha Schuermann
Wir sprechen auf der LOG.NET, dem bereits 17. Anwenderforum der Logistik. Was ist die Besonderheit an dieser Veranstaltung?

Also zunächst stehen wir unter dem Eindruck dessen, wie sich die Entwicklungen in der Welt darstellen. Wir haben das Motto der Veranstaltung unter „LV/BV“ gestellt. Das trifft es ganz genau und es ist ja die Folgeveranstaltung der 16. LOG.NET, bei der wir uns ganz bewusst an die Industrie gewendet haben, um zu sagen: Wenn wir den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung wirklich umsetzen wollen, brauchen wir Sie. Und jetzt strecken wir die Hände noch einmal konkreter aus, um die Bedarfe, die wir bereits identifiziert haben, konkret vorzutragen und abzuklopfen, wo wir bei der Industrie die Bereitschaft zu einer Kooperation sehen.

In Ihrer Keynote am ersten Morgen der Veranstaltung haben Sie Forderungen an die Zivilwirtschaft in Bezug auf eine gesamtgesellschaftliche Verteidigung formuliert. Was erwartet die Bundeswehr vom zivilen Gewerbe?

Ich hatte angesprochen, dass wir von der Industrie auch erwarten, dass sie sich der Gefahr stellen, indem sie selber dafür sorgen, resiliente Strukturen einzunehmen; dass sie sich um ihre Supply-Chains oder – ganz banal – um sichere Abwehr gegen Cyberangriffe kümmern.

Wir brauchen eine resiliente Industrie hier im Inland, um auch die Forderungen, die wir an die Industrie stellen, tatsächlich geliefert zu bekommen. Es wäre falsch zu erwarten, dass sich die Bundeswehr auch um solche Probleme kümmern wird. Ich weiß aber, dass die Industrie allein schon aus Eigenschutz solche Maßnahmen durchführen wird.

Ein anderes Stichwort heute Morgen war bedarfsbegründendes Papier. Können Sie etwas ausführen, warum das für die Logistik von besonderer Bedeutung ist?

Also rein haushälterisch brauchen wir bedarfsbegründende Papiere, um in die Vertragsgestaltung zu gehen, sodass das BAAINBw oder das BAIUDBw Verträge mit Firmen schließen kann, die uns ihre Leistung anbieten wollen.

Konkret hatte ich gesagt, dass der Operationsplan Deutschland – obwohl ein sehr wichtiges Dokument – leider keine Bedarfsbegründung darstellt. Das heißt, wir brauchen jetzt die nächsten Schritte, um über eine Projektskizze in ein bedarfsbegründendes Papier zu kommen und dann konkret mit der Industrie die Vertragsschließung durchführen zu können.

Eine der Aufgaben für die Logistik in der Landes- und Bündnisverteidigung wird der Transport militärischer Fahrzeuge quer durch Europa sein. Ein „military Schengen“ würde die grenzüberschreitende Verlegung erheblich erleichtern. Was fehlt dazu?

Wir arbeiten intensiv in einem PESCO-Projekt, wo es darum geht, die militärische Mobilität zu steigern. Also die Problematik der Grenzüberschreitungen von Nationen mit militärischen Fahrzeugen so zu regeln, dass es schneller geht. Das ist ein Projekt, was wir versuchen, gemeinsam mit den Niederländern nach vorne zu bringen.

CPM LOG.NET am 13.03.2025 in Koblenz Foto: CPM/ Sascha Schuermann
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Da sind wir als Logistikkommando der Bundeswehr auch mit dem Multinationalen Kommando in Ulm sehr stark verbunden, um Korridore befahrbar zu machen; um auszutesten, ob die Grenzübergänge funktionieren. Wir wollen nicht an der Grenze erst Papiere ausfüllen müssen, um dann die Grenzüberschreitung schneller, flüssiger zu machen und nicht dort stocken zu müssen.

Wie ist da der Stand der Dinge? Was fehlt noch?

Viele Papiere sind fertig. Wir wollen auch dieses Jahr gegebenenfalls einen ersten Probelauf machen. Ich bin da guter Dinge, dass es klappt. Wir müssen sicherlich noch mehr Korridore in Europa noch stärker ertüchtigen, als das bis jetzt der Fall ist.

Wenn wir an Autobahnen und Schienen denken, dann sind das nationale Angelegenheiten der Infrastruktur. Auf der LOG.NET erwähnten Sie ein Beispiel aus der Stadt Neuss. Was gilt es im Spannungsfeld von Logistik, Operationsplan Deutschland und gesamtgesellschaftliche Verteidigung für Kommunen zu beachten?

Wenn wir die Kommunen – aber auch die Landesverkehrsminister und Zuständigen im Bereich Infrastruktur – mitnehmen, dann werden wir sehr schnell feststellen, dass wir bei der Ausschreibung von Infrastrukturprojekten jetzt anders denken müssen. Das Beispiel Neuss hatte ich aufgrund der dort unter dem Rathausneubau mitgedachten Schutzeinrichtung gebracht.

Der stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr, Brigadegeneral Ralf Lungershausen, hielt die Eröffnungs-Keynot der LOG.NET 2025.
Der stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr, Brigadegeneral Ralf Lungershausen, hielt die Eröffnungs-Keynot der LOG.NET 2025.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Wir müssen vielleicht auch darüber nachdenken, ob wir bei bestimmten Brücken die Transportlast erhöhen müssen, um sie auch für Kampfpanzer und andere schwere Fahrzeuge befahrbar zu machen, die vielleicht mehr wiegen, als man für die Brücke vorgesehen hatte. Man muss auch einmal darüber nachdenken, ob es – wie früher – bestimmte Vorkehrungen in einer Brücke gibt, um sie gegebenenfalls sprengen zu können, wenn es denn notwendig wird.

So etwas war früher üblich. Da gab es Wallmeistertrupps, die in den Bundesländern dafür gesorgt haben, dass Straßen entsprechend ausgeschildert waren. Jeder wusste, mit wie viel Fahrzeugen man über die Straße fahren kann. Diese Schilder finden Sie heute an den Brücken fast gar nicht mehr.

Aber was ich viel wichtiger finde, ist, dass wir uns auch über unsere Binnenhäfen Gedanken machen. Wenn Sie von Neuss sprechen, dann wissen Sie: Neuss hat einen großen Binnenhafen; schwerpunktmäßig Autotransport. Sind denn in diesen Häfen auch Verladerampen, die nicht nur einen Mercedes-Benz oder ein Golf oder einen Toyota tragen können, sondern vielleicht auch eine entsprechende Aufnahmevorrichtung haben, um ein geschütztes Transportfahrzeug auf ein Binnenschiff zu verladen, um damit die strategische Verlegung realisieren zu können? Nur, um mal ein Beispiel zu nennen.

Herr General, vielen Dank für das Interview.
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