Erst wurde sie durch eine CDU-geführte Regierung abgeschafft, nun fordert die CDU sie zurück. „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen“, lautete der heutige Beschluss des CDU-Parteitags. „Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht.“
Diese von der CDU ab jetzt geforderte Kontingentwehrpflicht entspricht weitgehend dem schwedischen Modell, das auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehrfach als am besten geeignete Lösung propagierte. Dabei werden zwar alle Deutschen eines Jahrgangs gemustert, aber nur jene zur Wehrpflicht herangezogen, die von der Bundeswehr als am besten geeignet eingestuft werden.
Wie dies verfassungsrechtlich umzusetzen ist, wird bereits durch das BMVg geprüft. Mit dem aktuell bestehenden Artikel 12a (siehe unten) ist weder das schwedische Modell noch die von der CDU angedachte Kontingentwehrpflicht oder das verpflichtende Gesellschaftsjahr vereinbar. Allerdings ist eine Änderung des Grundgesetzes durch Gesetz möglich, dieses bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrats.
Infrastruktur der Wehrpflicht
Ein größeres Problem dürfte allerdings die für eine Wehrpflicht notwendige Infrastruktur sein. So schrieb auch die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, in ihrem Bericht für das Jahr 2023, dass sie die Einführung eines Gesellschaftsjahres ausdrücklich begrüße.
„Es geht dabei nicht um die Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht. Darauf wäre die Bundeswehr nicht vorbereitet, denn es fehlen Unterkünfte, Ausrüstung sowie Ausbilderinnen und Ausbilder“, betonte Högl. Vielmehr geht es darum, dass sich junge Menschen – Frauen wie Männer – eine gewisse Zeit in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft engagieren. Das kann die Bundeswehr sein ebenso wie soziale und karitative Einrichtungen, in Kunst und Kultur oder im Bereich Umwelt und Klimaschutz. Eine Einführung eines solchen Gesellschaftsjahres wäre von erheblicher gesellschaftlicher Tragweite und sollte daher von der Mitte der Gesellschaft mit breiter Mehrheit getragen werden. Eine Idee wäre, dieses Thema zum Inhalt eines Bürgerrates im Deutschen Bundestag zu machen.“
Eine Richtung, in die augenscheinlich auch der aktuelle Beschluss des CDU-Parteitags geht. Dieser wird sich im neuen Grundsatzprogramm der CDU wiederfinden, mit dem die Partei in die nächste Bundestagswahl geht.
Verschärfung der Formulierung
Ursprünglich hieß es im Entwurf des neuen Grundsatzprogramms: „Um den Personal- und Kompetenzbedarf der Streitkräfte langfristig zu sichern, darf es auch nach der Aussetzung der Wehrpflicht keine Denkverbote für die Zukunft geben. Das Konzept eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres soll auch den Streitkräften unseres Landes zugutekommen.“ Nun steht dort: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen. Bis zu dieser Umsetzung fordern wir zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr die Einführung einer Kontingentwehrpflicht.“ Eine deutliche Verschärfung der Formulierung, die durch die Junge Union eingebracht worden war.
Wie bei Grundsatzprogrammen üblich fehlen allerdings konkrete Umsetzungsvorschläge, wie z.B. die notwendigen Liegenschaften und Ausbilder bzw. Ausbildungssysteme wieder in die Bundeswehr gelangen könnten. Denn auch diese Voraussetzungen müssen ebenso wie die Änderung des Grundgesetzes erfüllt werden, bevor die neue Wehrpflicht in Deutschland eingeführt werden kann. Welchen Namen diese dann bekommt – Schwedisches Modell, Gesellschaftsjahr, Kontingentwehrpflicht – ist schließlich eher nachrangig. Doch die Voraussetzungen müssen stimmen.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 12a
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.
(3) Wehrpflichtige, die nicht zu einem Dienst nach Absatz 1 oder 2 herangezogen sind, können im Verteidigungsfalle durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu zivilen Dienstleistungen für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung in Arbeitsverhältnisse verpflichtet werden; Verpflichtungen in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind nur zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben oder solcher hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nur in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfüllt werden können, zulässig. Arbeitsverhältnisse nach Satz 1 können bei den Streitkräften, im Bereich ihrer Versorgung sowie bei der öffentlichen Verwaltung begründet werden; Verpflichtungen in Arbeitsverhältnisse im Bereiche der Versorgung der Zivilbevölkerung sind nur zulässig, um ihren lebensnotwendigen Bedarf zu decken oder ihren Schutz sicherzustellen.
(4) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.
(5) Für die Zeit vor dem Verteidigungsfalle können Verpflichtungen nach Absatz 3 nur nach Maßgabe des Artikels 80a Abs. 1 begründet werden. Zur Vorbereitung auf Dienstleistungen nach Absatz 3, für die besondere Kenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind, kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen zur Pflicht gemacht werden. Satz 1 findet insoweit keine Anwendung.
(6) Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an Arbeitskräften für die in Absatz 3 Satz 2 genannten Bereiche auf freiwilliger Grundlage nicht gedeckt werden, so kann zur Sicherung dieses Bedarfs die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Vor Eintritt des Verteidigungsfalles gilt Absatz 5 Satz 1 entsprechend.
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