Es soll die „größte Sicherheitskonferenz aller Zeiten“ sein, die heute in München startete. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz war sich Donnerstagabend im ZDF sicher, die USA würden „eine brutal harte Ansage“ an die Europäer machen. Gemeint sein dürfte die Rede des US-amerikanischen Vize-Präsidenten JD Vance.
Erwartet wurde hohe Forderungen an europäische Rüstungsinvestitionen, gar ein Abzug der amerikanischen Truppen aus Europa. Doch angesichts der sich überschlagenden Nachrichten über mögliche Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine nahm dessen Rede erstaunlich wenig Bezug zum Krieg in Osteuropa.
Es war lediglich ein erster Satz. Die Trump-Regierung sei sehr um die europäische Sicherheit besorgt, beteuerte Vance und man sei der Ansicht, dass eine Einigung zwischen Russland und der Ukraine erreicht werden könne. „Wir glauben auch, dass es in den kommenden Jahren für Europa wichtig ist, sich um seine eigene Verteidigung zu kümmern“, ergänzte Vance eine US-Forderung, die mittlerweile allen europäischen Staats- und Regierungschefs geläufig sein sollte.
Doch die Bedrohung, um die sich der US-amerikanische Vizepräsident wirklich Sorgen mache, sei nicht Russland, nicht China und auch kein anderer Dritter. „Worüber ich mir Sorgen mache“, so JD Vance, „ist die Bedrohung von innen: der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werten, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt.“
Meinungsfreiheit über allen
Was dann folgte, war eine rund zwanzigminütige Rede über einen angeblichen Werteverfall in unterschiedlichen europäischen Staaten. Als Beispiele nannte er unter anderem die vom rumänischen Verfassungsgericht annullierte Präsidentschaftswahl wegen offensichtlicher Einflussnahme Russlands im Dezember 2024, die Verurteilung eines britischen Veteranen zu einer hohen Geldstrafe, weil er in die Safe-Zone einer Abtreibungsklinik eingedrungen war und das Bestreben der EU, in sozialen Medien Recht und Ordnung garantieren zu wollen.
Doch diese Beispiele seien „schockierend für amerikanische Ohren“ meinte Vance und weiter: „Seit Jahren wurde uns gesagt, dass alles, was wir finanzieren und unterstützen, im Namen unserer gemeinsamen demokratischen Werte liegt.“
Die Beispiele, die Vance heranführte, zeigen, dass es ihm in erster Linie um den demokratischen Wert der Meinungsfreiheit geht. Dieser allein macht jedoch keine Demokratie aus, in der die Unabhängigkeit der Gerichte und der Schutz der Persönlichkeitsrechte aller Menschen – auch in den sozialen Netzwerken – einen ebenso hohen Stellenwert haben.
Mit der Meinungsfreiheit dürfte es derweil in Europa nicht ganz so schlecht bestellt sein – immerhin dürfen nicht nur im Internet, sondern ebenso auf öffentlichen Straßen auch faktenfreie Äußerungen ungestraft getätigt werden.
Die Biden-Regierung hätte diese als „Fehlinformationen“ diskreditiert und soziale Medien angewiesen, sie zu zensieren, meinte Vance heute in seiner Rede und sagte wörtlich über die Behauptung, das Coronavirus sei aus einem Labor in China ausgetreten: „Unsere eigene Regierung ermutigte private Unternehmen, Menschen zum Schweigen zu bringen, die es wagen, anderen zu sagen, was sich als offensichtliche Wahrheit herausstelle.“
Baerbock: „Ein Scheinfrieden ist kein Frieden“
Nach dieser Abrechnung dürfte es schwer werden, in den kommenden zwei Tagen zu den eigentlich relevanten Themen in der internationalen Sicherheitspolitik zurückzukehren – zumindest mit einem Gesprächspartner USA. Zu offensichtlich geht es der Trump-Regierung um anderes als eine nachhaltige Beendigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
„Ein Scheinfrieden ist kein Frieden“, sagte daher auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach Gesprächen mit dem stellvertretenden Vance am Morgen in München. Ein solcher Scheinfrieden, der nach ein paar Monaten zu einer erneuten Aggression Russlands führte, „würde uns alle – als Europäer aber auch Amerikaner – schwächen“.
Spannend werden die weiteren Reaktionen der internationalen Gäste auf die heutige Rede von JD Vance. Dass diese Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Gedächtnis bleiben wird, steht schon jetzt fest. Auch hatte Friedrich Merz Recht: Sie war „eine brutal harte Ansage“ an die Europäer – nur eben völlig anders als gedacht.
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