Ägäis-Mission: Gehen der Marine die Kriegsschiffe aus?

Die Deutsche Marine nimmt einen bemerkenswerten Wandel bei ihrer Einsatzstrategie in der Ägäis vor: Zum ersten Mal werden keine Kriegsschiffe in eine militärische Mission entsandt, sondern ein Forschungsschiff. Mit der zur Wehrtechnischen Dienststelle 71 gehörenden „Planet“ übernimmt ein ziviles Schiff eine militärische Führungsaufgabe in der NATO-Unterstützungsmission in der Ägäis.

Zivile Kriegsschiffe: Bugansicht der „Planet“. Beim Aussetzen eines Versuchsträgers mit einem der Bordkräne. Der doppelte Rumpf in SWATH-Bauweise ist hier gut zu erkennen.
Bugansicht der „Planet“. Beim Aussetzen eines Versuchsträgers mit einem der Bordkräne. Der doppelte Rumpf in SWATH-Bauweise ist hier gut zu erkennen.
Foto: Bundeswehr

Der Schritt markiert eine Veränderung in der deutschen Präsenz im Mittelmeer und zeigt die veränderten sicherheitspolitischen und operativen Prioritäten Deutschlands. Die erstmalige Entsendung eines Forschungsschiffs auf eine militärische Mission wurde nach Angaben der Bundeswehr notwendig, da die seit dem 1. Juli 2024 geltende NATO-Kräfteorganisation (NATO Force Model) deutlich höhere Anforderungen an die Deutsche Marine stellt.

Demnach müsse die Marine bei der Einteilung ihrer Kriegsschiffe haushalten und – wo möglich – zivile Schiffe einsetzen, um insgesamt „den Handlungsspielraum der Deutschen Marine zu erhöhen“.

Mit der Entscheidung, keine Kriegsschiffe für den Einsatz in der Ägäis zu entsenden, zeigt Deutschland vor allem, dass es nicht über eine ausreichende Anzahl von militärischen Schiffen verfügt, um die übernommenen Aufgaben zu erfüllen. Bisher waren Fregatten, Einsatzgruppenversorger oder Minenjagdboote in der Ägäis im Einsatz.

Einsätze in der Ägäis – Sea Guardian und die SNMG

Im Mittelmeer laufen mehrere Einsätze, an denen sich die Bundeswehr beteiligt, dazu gehört beispielsweise Sea Guardian (seit Mitte 2016 als Nachfolge von Active Endeavor) zur Gewährleistung der Sicherheit im Mittelmeer – inklusive der Überwachung der Seewege, das Aufspüren und Bekämpfen von terroristischen Aktivitäten sowie den Schutz maritimer Infrastruktur.

Das Minenjagdboot Grömitz als Flaggschiff der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) in der Ägäis im Einsatz.
Das Minenjagdboot Grömitz als Flaggschiff der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) in der Ägäis im Einsatz.
Foto: Deutsche Marine

Einen weiteren Beitrag leistet die deutsche Marine für die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2), eine ständige multinationale maritime Einsatzgruppe, die für die Sicherung der NATO-Gewässer verantwortlich ist. Als Einsatzgruppe innerhalb von SNMG 2 entsendet die NATO derzeit vier bis sieben Kriegsschiffe in die Ägäis, jenen Teil des Mittelmeers, der zwischen dem türkischen und griechischen Festland liegt.

Im Februar 2016 wurde auf Antrag Deutschlands, Griechenlands und der Türkei beschlossen, mit dieser Mission „die Flüchtlingsströme durch die Ägäis schnell und erheblich zu reduzieren“. Bisher übernahmen Schiffe der SNMG2 allerdings auch Aufgaben aus dem Bereich Sea Guardian. Inwieweit das auch auf das Forschungsschiff Planet zutreffen wird, ist fraglich.

Das Forschungsschiff „Planet“ – Ein Hightech-Schiff für die Wissenschaft

Die Planet ist ein hochmodernes Forschungsschiff der Deutschen Marine, das speziell für wissenschaftliche Zwecke konzipiert wurde. Es wurde in der sogenannten Small-Waterplane-Area Twin-Hull (SWATH)-Bauweise gebaut. Hier wird der Auftrieb wesentlich von den beiden unter Wasser liegenden Schwimmkörpern erbracht. Die schlanken Stege, die beide Schwimmkörper und den Schiffskörper verbinden, tragen nur in geringem Maße zum Auftrieb bei. Das macht die „Planet“ besonders unempfindlich gegen Seegang.

Zudem verfügt die Planet über eine Vielzahl von Sensoren, Laboreinrichtungen und technologisches Equipment, das die Durchführung von Meeres- und Klimaforschung ermöglicht. Mit ihrer hoch entwickelten Ausstattung kann die Planet Daten zur Meeresumwelt und ozeanografischen Phänomenen sammeln. Obwohl sonst nur für Kriegsschiffe, verfügt die Planet über ein Torpedorohr, sodass Torbedos und Torpedoabwehrwaffen getestet werden können.

Das Forschungsschiff „Planet“ während der Erprobung von speziellen Beschichtungsmaterialien im Jahr 2016. Bundeswehr
Das Forschungsschiff „Planet“ während der Erprobung von speziellen Beschichtungsmaterialien im Jahr 2016.
Foto: Bundeswehr

Für die Mission in der Ägäis eignet sich das Schiff nach Angaben der Bundeswehr insbesondere durch seine lange Seeausdauer von 30 Tagen, das große Platzangebot an Deck und die Verfügbarkeit von „notwendigen Fernmeldemitteln“.

Das Forschungsschiff Planet:

  • Indienststellung: 2005
  • Länge: 72 m
  • Breite: 27,2 m
  • Tiefgang: 6,8 m
  • Maximale Geschwindigkeit: 15 Knoten
  • Wasserverdrängung: 3.320 Tonnen
  • Motorleistung: 2 Wellen je 1.040 kW
  • Besatzung: (normalerweise) 25 + 20 Wissenschaftler
  • Ausstattung: Mehrere Laboratorien, Sensoren für ozeanografische Studien, spezielle Instrumente zur Vermessung des Meeresbodens

Die Planet ist darauf ausgelegt, komplexe Daten über Materialbeschaffenheit, Signaturen und Waffensysteme auf hoher See zu erfassen und zu analysieren. Ihr Einsatz in der Ägäis zur Sicherung der Seewege und Grenze zwischen Griechenland und der Türkei gehört daher nicht zu ihrem eigentlichen Aufgabenbereich. Spannend wird, wie das auf der Planet eingesetzte militärische Personal seine Aufgabe erfüllen wird.

„Zivile Kriegsschiffe“ in der Ägäis

Der Einsatz des Forschungsschiffs Planet anstelle von Kriegsschiffen in der Ägäis ist ein Zeichen dafür, dass Deutschland seine Rolle und Aufgabe in der Region neu bewertet. Insgesamt haben Flüchtlingsbewegungen in der Ägäis abgenommen. Zeitgleich sind mit der russischen Vollinvasion in der Ukraine und der sich zuspitzenden Lage in Israel und Libanon sowie dem Einsatz im Roten Meer andere Konfliktregionen in den Fokus der deutschen Marine gerückt.

Diese potenziellen Einsatzorte tragen zudem ein ungleich höheres Risiko für eine militärische Eskalation in sich. Die Ägäis-Mission der NATO durch ein ziviles Schiff und nicht durch Kriegsschiffe zu übernehmen, ist angesichts der Auslastung verständlich. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn die Bundeswehr jetzt zivile Schiffe entsendet, wo bisher Kriegsschiffe zum Einsatz kamen.

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