„Die Deutsche Marine steht bereit, sich an der EU-Operation „Aspides“ zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer zu beteiligen“, sagte Vizeadmiral Jan Christian Kaack, der Inspekteur der Marine im Interviewformat „Nachgefragt“ der Bundeswehr. Gestern lief dazu in Wilhelmshaven die Fregatte Hessen (F221) aus. Sie soll bis Ende des Monats im Zielgebiet eintreffen und – EU-Mission und Bundestagsmandat vorausgesetzt – Handelsschiffe vor Huthi-Angriffen schützen.
Heute wurde bekannt, dass sich das EU-Einsatzgebiet bis vor die Küste Irans erstrecken soll. Warum ein solcher Einsatz trotz US-Präsenz im Roten Meer notwendig ist, welche Nationen noch beteiligt sein werden und mit welchen Systemen die deutsche Fregatte den Schutz des Seehandels sichern will, haben wir uns in diesem Beitrag genauer angesehen.
Noch bis Sonntag stehen im neuen Tesla-Werk in Brandenburg die Bänder still, weil die Lieferketten des amerikanischen Elektrowagenherstellers gestört sind. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie abhängig die globale Wirtschaft von freien Seehandelswegen ist – insbesondere vom Suez-Kanal und dem Roten Meer, über die rund 30 Prozent des globalen Handels laufen.
Seitdem die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen Mitte November 2023 beschlossen haben, vermeintlich mit Israel kooperierende Schiffe im Roten Meer zu attackieren, weichen einige Reedereien auf die deutlich längere Route um Afrika aus.
Zwar haben Amerikaner und ihre Verbündeten im Rahmen der Operation „Prosperity Guardian“ (Wächter des Wohlstands) bereits mit mehreren gezielten Schlägen gegen Raketenstellung und Depots der Huthi deren Handlungsmöglichkeiten unterbinden wollen, doch waren diese Schläge offenbar bisher nicht erfolgreich. Wie das U.S. Central Command berichtet, wurden auch in dieser Woche wieder Frachtschiffe beschossen und teilweise schwer beschädigt; unter anderem die „Star Nasia“ und die „Morning Tide“.
Feb. 8 Summary of USCENTCOM Self-Defense Strikes in Yemen
— U.S. Central Command (@CENTCOM) February 9, 2024
On Feb. 8, between the hours of 5 a.m. – 9 p.m. (Sanaa time), U.S. Central Command (CENTCOM) forces conducted seven self-defense strikes against four Houthi unmanned surface vessels (USV) and seven mobile anti-ship cruise… pic.twitter.com/5qKArWfj7G
Auch die EU will sich nach langer Zeit der Beratung noch in diesem Monat im Roten Meer engagieren. Allerdings nicht im Rahmen von „Operation Prosperity Guardian“, denn Frankreich, Italien und Spanien wollen keine Schiffe unter amerikanisches Kommando stellen.
Mit dem Schild der Hopliten – doch ohne ihren Speer
Die EU-Mission zum Schutz des Seeverkehrs soll den Namen EUNAVFOR „Aspides“ (Altgriechisch: Schild) tragen, wie der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, nach dem informellen Treffen der EU-Außenminister am 31. Januar erklärte.
Es handele sich um einen Einsatz im „reinen Defensivmodus zum Schutz von Handelsschiffen“ dessen formeller Beschluss bis spätestens zum Außenministertreffen am 19. Februar in Brüssel gefasst werden solle. „Die Mission ‚Aspides‘ wird keine Operationen an Land durchführen – nur auf See“, erklärte Borrell weiter. Angriffe auf Stellungen der Huthi im Jemen überlässt die EU also auch weiterhin den Amerikanern.
Im Deutschen Bundestag ist derweil für Mittwoch, den 21. Februar 2024 die Beratung eines Regierungsantrags festgesetzt, der im Anschluss an eine 40-minütige Parlamentsdebatte zur weiteren Beratung an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen werden soll. Wann genau ein deutsches Mandat zustande kommt, ist noch nicht klar – zumindest der Fahrplan steht.
Neben der Fregatte Hessen aus Deutschland beabsichtigen unter anderem auch Frankreich, Italien und Griechenland eine Beteiligung, wobei das operative Hauptquartier der Mission „Aspides“ in der griechischen Stadt Larisa eingerichtet werden soll. Aus Italien wurde heute die Beteiligung des Zerstörers Caio Duilio (D554) vermeldet. Gleichzeitig übernimmt das Land die Operationsführung.
Wie heute von mehreren Medien auf Grundlage von Informationen der Nachrichtenagentur dpa berichtet wurde, soll das Einsatzgebiet von „Aspides“ allerdings nicht nur im Roten Meer und im Golf von Aden liegen. Die Schiffe der beteiligten EU-Staaten sollen auch in der Straße von Hormus, im Persischen Golf und im Golf von Oman eingesetzt werden können, was der ursprünglichen Begründung mit dem Schutz vor Angriffen durch Huthi-Rebellen zuwiderläuft.
Grund könnte hingegen nicht nur die finanzielle und materielle Unterstützung der Rebellen durch den Iran sein, sondern dass dessen Marine auch selbst für eine „Gefährdung der Seewege“ sorgt, wie Mitte Januar bei der Festsetzung eines Öltankers der griechischen Reederei Empire Navigation im Golf von Oman. Eine direkte militärische Konfrontation zwischen EU und Iran würde jedoch ein ungleich höheres Eskalationsrisiko bieten, als es beim Abfangen von Huthi-Raketen der Fall ist.
Die Fregatte Hessen ist das richtige Schiff am richtigen Ort
Mit Waffensystemen und dem Luftraumüberwachungsradar SMART-L, dessen Reichweite etwa 400 Kilometer beträgt, ist die Flugabwehrfregatte „Hessen“ der Sachsen-Klasse (F124) vom geradezu prädestiniert für einen Einsatz, der in seinem Kern dem Abfangen feindlicher Raketen und anderer Flugkörper gewidmet ist.
„Da wir dort in einen scharfen Waffengang gehen, […] kommt hier nur eine Einheit, ein Schiff in Frage, das sich von seiner Bewaffnung her durchsetzen kann und dessen Besatzung zu 100 Prozent ausgebildet ist, um mit dieser Bedrohung umgehen zu können“, ist der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kaack, vom Potenzial der Fregatte Hessen überzeugt.
Für den Schutz der Handelsschiffe im Roten Meer kann sich die Fregatte Hessen als Eskorte neben ein Handelsschiff stellen, sodass anfliegende Objekte „ausmanövert“ und mit Rohrwaffen oder dem Flugkörper RIM-116 „Rolling Airframe Missile“ mit Reichweite bis zu 10 Kilometer bekämpft werden können. Dazu gibt es an Bug und Heck je einen RAM-Starter.
Wenn es um den Schutz mehrerer Schiffe auf größerer Fläche geht, kann die Fregatte Hessen senkrecht startende Flugabwehrraketen ESSM (Evolved Seasparrow Missile) mit einer Reichweite von über 50 Kilometern sowie die Flugabwehrraketen SM-2 (Standard Missile 2) mit einer Reichweite von etwa 160 Kilometern einsetzen.
Nach ihrem Auslaufen bei mäßiger Sicht aber ruhiger See nimmt die Fregatte Hessen jetzt Kurs auf das Rote Meer. Schon in wenigen Wochen könnte nicht nur das Wetter deutlich heißer werden, sondern auch der Einsatz der rund 240 Soldatinnen und Soldaten an Bord. Dazu zählen neben der eigentlichen Stammbesatzung sowohl das Flugbetriebsteam für zwei Bordhubschrauber Sea Lynx sowie ein Ärzteteam, Soldaten des Seebataillons, einen Militärpfarrer und weiteres Einsatzpersonal.
Im Rahmen der Very High Readiness Joint Task Force (Maritime) als maritime Speerspitze der NATO in der Nord- und Ostsee gilt die Fregatte Hessen als top-einsatzbereit. Doch der Kommandant, Fregattenkapitän Volker Kübsch, ist sich der deutlich fordernderen Einsatzcharakteristik im Roten Meer bewusst: „Die Bedrohung dort ist nicht mehr abstrakt, sie ist ganz konkret und besteht aus einer Vielzahl an Waffen, die dort regelmäßig zum Einsatz gebracht werden.“
Kommandant: „Sie können sich auf uns verlassen“
„Unser Engagement ist zunächst mal für einige Monate ausgelegt“, erklärt Vizeadmiral Kaack mit Hinblick auf die mögliche Einsatzdauer im Roten Meer, „und das ist auch gut so. Wir stehen bereit, auch im zweiten Halbjahr für einen gewissen Zeitraum einen Beitrag zu leisten. Aber ich betone noch mal, im Roten Meer erwarten wir einen schweren Waffengang. Dort können wir nur die besten Einheiten schicken, davon haben wir nur drei. Insofern müssen wir da auch ein bisschen haushalten in unseren Kräften.“
Dass die Fregatte Hessen ihrem noch nicht mandatierten Auftrag gerecht werden könne, bekräftigt auch Fregattenkapitän Volker Kübsch: „Ich weiß nur zu gut um die Fähigkeiten des Schiffs und der Besatzung und möchte daher allen Freunden und Angehörigen der Besatzung ein wenig die Sorgen um uns nehmen. Sie können sich in jeder Hinsicht auf uns verlassen.“
Ja, der Einsatz zwischen Ägypten und der arabischen Halbinsel wird gefährlich, aber genau für eine solche Mission sind die Flugabwehr-Fregatte Hessen und ihre Besatzung da.
Navid Linnemann
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