„Stählerne Kuppel“: Erdoğan will türkische Version des Iron Dome

Die Türkei plant die Entwicklung eines neuen Luftabwehrsystems namens „Çelik Kubbe“ (türkisch: Stählerne Kuppel). Dieses System ist das bisher ehrgeizigste Luftabwehrprojekt des Landes und soll in der Lage sein, hoch entwickelte Bedrohungen, wie ballistische Raketen, feindliche Flugzeuge und andere Luftziele, abzuwehren. Es soll in mehreren Phasen entwickelt werden, wobei die erste Version der Stählernen Kuppel schon in sehr naher Zukunft einsatzbereit sein soll.

Stählerne Kuppel: Die Hisar O ist ein System zur Luftverteidigung im mittleren Reichweitenbereich.
Die Hisar O ist ein System zur Luftverteidigung im mittleren Reichweitenbereich.
Foto: Aselsan

Die Ähnlichkeit der Namen kommt wohl nicht von ungefähr: Sowohl der israelische Iron Dome (Eiserne Kuppel) als auch die türkische Çelik Kubbe (Stählerne Kuppel) sollen ihre Nationen vor gegnerischen Luftangriffen schützen. Dass der Iron Dome genau das kann, ist seit über zehn Jahren bekannt – und offensichtlicher Grund für die Türkei, sich das Luftverteidigungssystem namentlich zum Vorbild zu nehmen.

In der letzten, von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geleiteten Sitzung des Exekutivausschusses der Verteidigungsindustrie (SSİK) am 6. August kam genau dieses Projekt auf den Tisch: Erdoğan will die Stählerne Kuppel.

Iron Dome aus Israel als Vorbild

Der Iron Dome (zu Deutsch: Eiserne Kuppel) ist ein mobiles, allwetterfähiges Luftverteidigungssystem aus Israel. Es wurde von Rafael Advanced Defense Systems und Israel Aerospace Industries (IAI) entwickelt, um Raketen, Artilleriegranaten und Mörsergeschosse, die auf bewohnte Gebiete oder wichtige Infrastrukturen abgefeuert werden, abzufangen und zu zerstören.

Commtact ist bereits am Iron Dome von Rafael beteiligt, nun folgt also mit diesen Erfahrungen die Unterstützung von Lenkflugkörpern.
Vom Iron Dome abgefeuerte Interceptor.
Foto: Rafael

Das seit 2011 in Israel eingesetzte System ist besonders darauf ausgelegt, Bedrohungen aus kurzer bis mittlerer Distanz zu neutralisieren, also etwa Raketenangriffe aus einer Reichweite von wenigen Kilometern bis zu etwa 70 Kilometern. Das unterscheidet den Iron Dome von den anderen beiden Flugabwehrsystemen in Israel –  David’s Sling und Arrow ­– die für wesentlich größere Reichweiten konzipiert sind.

Aufbau und Ablauf des Iron Dome:

  • Der israelische Iron Dome besteht aus drei Hauptkomponenten: einem Radar, einer Feuerleitzentrale und auf einer Batterie mitgeführte Abfangraketen.
  • Das Radar erkennt anfliegende Bedrohungen und berechnet deren Flugbahnen.
  • Die Feuerleitzentrale analysiert die Bedrohung und entscheidet, ob die Rakete abgefangen werden muss (nur wenn Menschenleben/kritische Infrastruktur in Gefahr).
  • Soll die Bedrohung abgefangen werden, wird eine Abfangrakete abgefeuert, die das Ziel in der Luft zerstört.

Der Iron Dome ist in der Lage, eine Vielzahl von Bedrohungen gleichzeitig zu erkennen und abzufangen, was ihn zu einem äußerst effektiven Verteidigungssystem gegen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen oder dem Südlibanon macht. Die Erfolgsquote des Iron Dome soll nach israelischen Angaben bei über 90 % liegen.

Hier heißt es noch Gökkubbe (Himmlische Kuppel), jetzt wurde es von Staatspräsident Erdogan in Stählerne Kuppel umbenannt: das türkische Gesamtsystem zur bodengebundenen Luftverteidigung.
Hier heißt es noch Gökkubbe (Himmlische Kuppel), jetzt wurde es von Staatspräsident Erdogan in Stählerne Kuppel umbenannt: das türkische Gesamtsystem zur bodengebundenen Luftverteidigung.
Grafik: Aselsan

Der türkische Iron Dome: Die Stählerne Kuppel

Trotz der Ähnlichkeit beim Namen unterscheiden sich die Eiserne Kuppel aus Israel und die Stählerne Kuppel aus der Türkei in dem wesentlichen Merkmal, dass unter der Letzteren die türkische Luftverteidigung als System of systems verstanden werden soll, während der Iron Dome nur für kurze Distanzen (für Angriffe aus Gaza und seitens der libanesischen Hisbollah) gedacht ist.

Die türkische Stählerne Kuppel soll hingegen alle Ebenen der Flugabwehr beinhalten. Dazu sollen zahlreiche Komponenten eingebunden werden, die teilweise bereits bei der Truppe etabliert sind, sich teilweise aber noch in der (Endphase ihrer) Entwicklung befinden, wie beispielsweise die Langstreckenflugabwehrrakete Siper.

An fast allen Einzelkomponenten sind die halbstaatlichen Unternehmen ASELSAN (Sensorik), ROKETSAN (Flugabwehrraketen) und das Forschungsinstitut für die Verteidigungsindustrie Tübitak SAGE beteiligt. So auch an den Systemen Hisar A und Hisar O, die für mittlere Reichweiten gedacht sind oder das Kurzstreckenraketenabwehrsystem Gürz, welches erst Anfang 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Auch Korkut wird Teil der Stählernen Kuppel.
Auch Korkut wird Teil der Stählernen Kuppel.
Illustration: Aselsan

Neben den genannten FlaRak-Systemen sollen auch das Luftabwehrkanonensystem KORKUT sowie das mobile Lasersystem GÖKBERK (ebenfalls noch in der Entwicklung) Bestandteile der Stählernen Kuppel werden. Auch Jammer und moderne Radarsysteme, wie das kürzlich an die türkischen Streitkräfte übergebene ALP-300G werden die Stählerne Kuppel ergänzen.

Alle Systeme sollen über das Radarverbindungsmanagementsystem RADNET, den türkischen Standard für den Datenaustausch T-Link (vergleichbar mit Link-16), und das Luftkommandokontrollsystem HAKİM verbunden werden. Offen ist noch, inwieweit luftgestützte Systeme (jenseits von Systemen der Aufklärung) in die Stählerne Kuppel integriert werden sollen.

National und heimisch – die entscheidende Gemeinsamkeit

Gemein ist allen Komponenten, dass sie aus „nationaler und heimischer“ Produktion und Entwicklung stammen sollen. Seit Beginn der AKP-Herrschaft verfolgt die Türkei eine explizit nationale Rüstungsstrategie, bei der sich zwar an NATO-Standards orientiert wird, der Fokus jedoch klar darauf liegt, möglichst jedes Rüstungsprodukt selbst entwickeln zu können – die Drohnen von Bayraktar sind da nur ein Beispiel.

In der Luftverteidigung war dies bisher nicht der Fall. Die Türkei wollte jahrelang das Patriot-System kaufen und schlug letztlich bei Russland zu. 2019 kaufte das Land noch S-400, was damals zu Verstimmungen mit NATO-Partner und zum Ausschluss aus dem F35-Programm führte.

Der Exekutivausschuss der türksichen Verteidigungsindustrie wird geleitet von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Der Exekutivausschuss der türksichen Verteidigungsindustrie wird geleitet von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Foto: Kommunikationsbüro des türkischen Präsidialamts

Wenn es sich bei der Preisgestaltung der Systeme so verhält, wie bei türkischen Drohnen, könnte das „System of Systems“ Çelik Kubbe (Stählerne Kuppel) auch für Kunden interessant werden, die bisher nur begrenzte Ressourcen in ihrer Luftverteidigung aufweisen können. Wohl wissend – gerade das zeigen die aktuellen Beispiele Ukraine und Israel – dass eine funktionierende und breit aufgestellte Luftverteidigung elementar ist.

Spannend wird auch sein, wie sich die Türkei mit einem so stark auf nationale Entwicklungen fokussierten Konzept an der European Sky Shield Initiative beteiligen möchte. Immerhin ist das Land erst im Februar beigetreten.

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